DAV warnt vor systematischer Videoüberwachung mit Gesichtserkennung

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt vor einem breiten Einsatz von Gesichtserkennungssystemen an Flughäfen und Bahnhöfen. Anlass seien die Pläne des Bundesinnenministeriums, die Kompetenzen der Bundespolizei entsprechend zu erweitern, heißt es in einer Mitteilung vom 07.01.2020. "Es ist zweifelhaft, ob eine Rechtsgrundlage geschaffen werden kann, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht", betont Rechtsanwalt David Albrecht, Mitglied des DAV-Ausschusses Gefahrenabwehrrecht.

Schwerer Grundrechtseingriff

Bereits zum Start des umstrittenen Pilotprojekts zur Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz in Berlin habe der DAV massive Kritik geäußert. Wenn massenhaft Gesichter von unbescholtenen Bürgern an Bahnhöfen und Flughäfen gescannt würden, so liege darin ein schwerer Grundrechtseingriff, kritisiert Albrecht. Ein Scannen dieses Ausmaßes führe zu einem nicht hinnehmbaren Gefühl des Überwachtwerdens und der Einschüchterung – so habe bereits das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen gewarnt, etwa zur Vorratsdatenspeicherung oder zum automatisierten Erfassen von Kfz-Kennzeichen.

DAV: Zahlen nach Testlauf vermitteln "trügerische Sicherheit"

Wie schon beim Testlauf am Südkreuz stünden hier umso mehr die Fragen im Raum: Wie fehleranfällig ist das System? Können Missbrauch und Manipulation der Technik verhindert werden? Für wie lange, durch wen und wo werden diese Daten gespeichert? Mangelnde Diversität der Testpersonen (Alter, Geschlecht, Ethnie), optimale Vergleichsbilder, paralleler Einsatz dreier Systeme: Die nach dem Testlauf am Südkreuz als Erfolg verkauften Zahlen (rund 80% Trefferquote) seien nicht nur nach empirischen Grundsätzen zweifelhaft, sie würden auch einem Real-Einsatz nicht standhalten und daher eine trügerische Sicherheit bieten, so der DAV. Hinzu komme eine Falsch-Positiv-Rate von 0,67% – bei rund 200.000 Fluggästen würden allein am Frankfurter Flughafen jeden Tag 1.340 unbescholtene Menschen einen falschen Alarm auslösen und unrechtmäßig ins Visier der Ermittler geraten. Dies könne nicht im Sinne des Rechtsstaats sein.

Redaktion beck-aktuell, 8. Januar 2020.