Ein ganzes Gesetzespaket
Mit einem neuen Gesetzespaket will die EU gegen Geldwäsche vorgehen. Im vergangenen Jahr hat die Brüsseler Kommission gleich vier Vorschriftenbündel auf den Weg gebracht: eine Geldwäsche-Richtlinie (es ist bereits die sechste), eine Geldwäscheverordnung, eine Geldtransferverordnung sowie eine Verordnung zur Errichtung einer EU-eigenen Geldwäsche-Behörde namens Anti-Money-Laundering-Authority (AMLA). Kommissionsmitarbeiter Stefan Krauß begründete dies am Dienstag auf einer Diskussionsveranstaltung des Deutschen Anwaltvereins in Berlin damit, einige Mitgliedstaten hätten bei der Umsetzung der bisherigen Bestimmungen "hinterhergehinkt", was zu Vertragsverletzungsverfahren geführt habe. Auch habe es große Lücken und eine wenig einheitliche Praxis gegeben: "Jedes Land hat sein eigenes Süppchen gekocht." Noch in diesem Monat rechnet er mit dem Beginn der sogenannten Trilog-Verhandlungen, in denen Kommission, Europaparlament und der Ministerrat als Vertreter der nationalen Regierungen die Einzelheiten festzurren sollen.
"Gravierende Änderungen der Aufsichtslandschaft"
Welch massive Neuerungen das für Deutschland mit sich bringt, unterstrich Susanne Münch aus dem Bundesjustizministerium: "Das bedeutet eine ganz gravierende Veränderung der Aufsichtslandschaft." Ein starker Fokus des Geldwäschepakets liege darauf, dass Brüssel unzufrieden sei mit der Aufsicht nicht durch, sondern sogar über Selbstverwaltungskörperschaften. Vorgesehen ist demnach ein System von Peer Reviews: "Da wird einiges an Dokumentationsaufwand auf die Kammern zukommen." Denn die Informationen über die Kontrollpraxis im Berufsstand könnten nur von denen kommen. Zunächst habe überdies Art. 32 der AMLA-Verordnung für "Irritationen" gesorgt, weil geplant gewesen sei, der EU-Behörde Weisungen an die Selbstverwaltungskörperschaften zu erlauben: "Das wäre ein dramatischer Eingriff in die Selbstverwaltung gewesen." Dieser Passus sei zwar inzwischen gestrichen worden, aber auch nur an dieser Stelle. Münch versicherte, dass aus Sicht des Ministeriums die Selbstverwaltung der Anwaltschaft erhalten bleiben müsse. Die Richtlinie werde sie auch nicht abschaffen, aber es würden neue Anforderungen gestellt - etwa an ausreichend Personal und an dessen Schulung. "Das müssen die Justizministerien in Bund und Ländern überwachen." Einheitliche Standards werde es allerdings künftig brauchen - zu sehr seien einzelne Kammern voneinander abgewichen. Für den problematischsten Teil hält sie Art. 38: "Den könnte man als Fachaufsicht lesen." Art. 39 werde außerdem zu deutlichen Änderungen bei Sanktionen führen - etwa dass Zulassungen entzogen werden müssten und "Naming and Shaming" eingeführt werde. Nachdrücklich erklärte sie: "Große Teile des deutschen Geldwäschegesetzes werden durch die Verordnung wegfallen." Damit komme jede Menge neuer Auslegungsschwierigkeiten. Was große Bankkonzerne sicher gut bewältigen könnten, aber ein gravierender Nachteil für kleinere Einheiten sei.
"Unvereinbar mit Unabhängigkeit"
Für die Berliner Strafverteidigerin Margarate Gräfin von Galen ist es ein Unding, dass die EU ihre Branche mit Anbietern von Crowdfunding und Glücksspielen in einen Topf werfe: "Wir Anwälte sind da komplett fehl am Platze." Auch zeigte sie sich überzeugt davon, dass das Ganze nicht bloß auf eine Rechts-, sondern auf eine Fachaufsicht hinauslaufe - und das widerspreche gänzlich der Unabhängigkeit der Anwaltschaft. Zwar solle nach den Plänen die Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt werden. Aber von Galen fragt sich: "Was soll das alles dann - so kann eine Aufsicht gar nicht funktionieren." Ihr drastisches Fazit: "Das ist einfach Quatsch und total schräg." Ohnehin seien die Rechtsberater doch gerade diejenigen, die Mandanten sagten, wenn etwas nicht gehe. "Warum benutzt man uns nicht, um die Geldwäsche zu bekämpfen?" Wobei Ministerialrätin Münch zu bedenken gab, dass Anwälte sehr häufig nur einen kleinen Ausschnitt zu sehen bekämen, etwa bei einem Schneeballsystem. Worauf im parallel verlaufenden Chat zu dem Livestream gefragt wurde, worin denn dann überhaupt der "Mehrwert" dieser Regelungen liege.
Banken wollen keine Sammelanderkonten
Kürzlich hat in der Kanzleiwelt zudem für Unruhe gesorgt, dass Banken haufenweise Sammelanderkonten kündigten. Vorausgegangen waren Hinweise der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die sich dabei wiederum auf eine Risikoanalyse des Bundesfinanzministeriums berief - aufgescheucht durch einen Bericht der Financial Action Task Force (FATF), einer internationalen Institution zur Bekämpfung von Geldwäsche. Dort hatte man Anwälte und Notare als besondere Risikofaktoren ausgemacht. Als "symptomatisch für die zunehmende Inkohärenz des Geldwäscherechts" kritisierte dies der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dirk Uwer. Die BaFin habe mit ihren sogenannten Auslegungs- und Anwendungshinweisen mittelbar Fakten geschaffen für Berufsgruppen, die gar nicht ihrer Aufsicht unterlägen - und sich auf "Kollisionskurs mit berufsrechtlichen Anforderungen" begeben. Schließlich müssten Fremdgelder im Normalfall unverzüglich an Mandanten ausgekehrt werden (§ 43a Abs. 5 BRAO); das sei materielles Recht. Uwer störte sich an diesem "Misstrauen gegenüber der Anwaltschaft" und die "Insinuation von Non-Compliance". Immerhin habe die jüngste Untersuchung der FATF ein positiveres Bild gezeichnet, wonach anwaltliche Tätigkeit "nicht per se risikobehaftet" sei - und damit die Grundlage für eine angepasste Risikoanalyse durch die Kreditinstitute geliefert.
Weitere Änderung im Berufsrecht im Gespräch
Wie Ministerialvertreterin Münch andeutete, wünscht sich ihr Haus eine weitere Änderung im Berufsrecht; erst im Frühjahr war § 4 BORA von der Satzungsversammlung der BRAK als Reaktion auf die Kontokündigungen durch die Klarstellung entschärft worden, dass keineswegs jeder Anwalt ein Anderkonto unterhalten müsse. Zwar könnten auch derzeit einzelne Anderkonten eröffnet werden, doch bei vielen Kleinbeträgen verschiedener Mandanten sei dies nicht wirtschaftlich. Nicht zu bestreiten sei aber auch, dass über solche Konten renommierter Sozietäten etwa in den USA Schneeballsysteme betrieben worden seien. Münch verwies auf Überlegungen in der Satzungsversammlung, Sammelanderkonten für hohe Beträge oder problematische Zahlungsflüsse zu untersagen - etwa Bareinzahlungen, Auslandstransfers oder Fremdgelder aus Immobiliengeschäften. Anwalt Uwer rechnet jedenfalls vor einer Korrektur der rechtlichen Vorgaben nicht mit einer geänderten Haltung von Banken und Sparkassen. Sein Rat lautete, zu aufnahmewilligen Wettbewerbern zu wechseln. Und im Internet-Chat kam die Idee auf, nach dem Vorbild der Deutschen Apotheker- und Ärztebank eine Anwalts- und Notarbank zu gründen.
Ein Trostpflaster für Anwälte
Dass es eher nicht an Verdachtsmeldungen mangele, machte schließlich Thomas Fels von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin deutlich. Im Gegenteil sei eine ganze Welle davon losgetreten worden - "auch über Bagatellbeträge wie 3 Euro 50." Das binde Kapazitäten und habe in seiner Abteilung zu Resignation geführt. Zumal die beim Zoll angesiedelte Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit - FIU) nicht genug Fälle vorsortiere und hierbei offenbar "beratungsresistent" sei. Sein Trost für Anwälte: Er habe noch kein einziges Verfahren gehabt, in dem gegen einen Anwalt wegen der Annahme von Honoraren ermittelt worden sei.