DAV: Temporäres Leistungsverweigerungsrecht für coronabedingt nicht leistungsfähige Verbraucher und Kleinstunternehmen verfehlt

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert in einer Stellungnahme vom April 2020 das zur Abmilderung der Corona-Pandemiefolgen im EGBG eingefügte temporäre Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmen bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen. Die Verteilung der Lasten nach dem Kriterium der Leistungsfähigkeit zwischen den Vertragsparteien sei mit Prinzipien des Privatrechts unvereinbar. Die wirtschaftlichen Folgen seien vielmehr öffentlich-rechtlich im Wege einer Aufopferungsentschädigung abzufedern.

DAV: Öffentliche-rechtliche Aufopferungsentschädigung statt Leistungsverweigerungsrecht

Der DAV moniert, dass das in Art. 240 § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB geregelte Moratorium für  Verbraucher und Kleinstunternehmen einen Bruch mit privatrechtlichen Grundsätzen darstelle, da es die Belastungen aus der Corona-Krise dem typischerweise Stärkeren aufbürde. Die Verteilung der Lasten nach der (vermuteten) Leistungsfähigkeit sei aber mit den Prinzipien des Privatrechts unvereinbar. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seien vielmehr im Wege einer Aufopferungsentschädigung abzufedern. Es gehe um die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen einer allgemeinen Notlage, wobei die wirtschaftlichen Folgen Konsequenz der behördlichen Eindämmungsmaßnahmen seien. Im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Regelung könnte auch festgelegt werden, nach welchen Kriterien eine wirtschaftliche Soforthilfe in welchem Umfang geleistet und gegebenenfalls nachträglich zurückgefordert werden könnten.

Auswirkung auf Gegenleistungsanspruch klarstellen

Auch bei Zugrundelegung des vom Gesetzgeber gewählten Lösungsansatzes hält der DAV aber Konkretisierungen und Änderungen für notwendig. Mit Blick auf die Definition der wesentlichen Dauerschuldverhältnisse in Bezug auf Kleinunternehmer fordert der DAV insbesondere eine Klarstellung, ob darunter auch Dauerlieferungsverträge fallen. Ferner müsse bei dem privatrechtlichen Ansatz der Regelung deutlicher gemacht werden, welchen Einfluss das vorgesehene Leistungsverweigerungsrecht auf den Anspruch auf die jeweilige Gegenleistung habe. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich nach Sinn und Zweck, dass die Verpflichtung zur Gegenleistung gerade bestehen bleiben soll. Dem sei zuzustimmen, dies müsse aber klargestellt werden.

Eine der Kündigungsbeschränkung bei Mietverhältnissen ähnliche Regelung schaffen

Für problematisch hält es der DAV zudem, dass der Schuldner nach der jetzigen Gesetzesformulierung am 01.07.2020 nach Auslaufen des Leistungsverweigerungsrechts wieder zur vollen Leistung einschließlich der zurückgehaltenen Beträge verpflichtet sei, und zwar dann im Extremfall für die Monate April, Mai und Juni. Der Schuldner gerate dann in einen erheblichen Rückstand, ohne dass eine Regelung vorliege, bis wann eine zeitlich gestreckte Zahlung der zurückgehaltenen Beträge erfolgen solle. Der DAV fordert deshalb für wesentliche Dauerschuldverhältnisse eine ähnliche Regelung, wie sie mit der Kündigungsbeschränkung bis zum 30.06.2022 für Miet- und Pachtverhältnisse in Art. 240 § 2 EGBGB vorgesehen sei.

Redaktion beck-aktuell, 17. April 2020.

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