Die Vorschriften über die Tötungsdelikte stammen im Wesentlichen aus dem Jahr 1941 und beruhen auf der NS-Lehre vom "Tätertyp". Ihre lediglich sprachliche Anpassung, wie im Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vom November 2023 vorgesehen, greift dem Deutschen Anwaltverein (DAV) zu kurz. Denn diese löse nicht "das grundlegende Problem, dass moralisierende Mordmerkmale zwingend mit einer absoluten (Freiheits-)Strafe verknüpft sind", erläutert Rechtsanwalt Bernd Müssig, Mitglied des Ausschusses Strafrecht des DAV.
Im Rahmen seiner Initiativstellungnahme schlägt der Verein ein Regelungsmodell vor, das zwischen Mord und Totschlag sachlich-rechtlich nach dem Grad der Verantwortung differenziert: Ist ein Täter nach rechtlichen Kriterien allein für die Tat verantwortlich, soll der Vorwurf des Mordes als Qualifikationstatbestand begründet sein. Ein solch rechtlich nichtiger Tatanlass läge beispielsweise bei Hassdelikten oder auch dem sogenannten Femizid vor. Sind hingegen auch entlastende Aspekte gegeben, so soll es sich um Totschlag handeln.
Nicht allein verantwortlich wäre der Täter danach beispielsweise bei konfliktverursachendem Vorverhalten des späteren Opfers. Greifbar wird dies für den DAV etwa in der Konstellation des "Haustyrannen-Mords", bei dem eine jahrelang misshandelte Frau ihren Partner als vermeintlich letzten Ausweg im Schlaf tötet – nach aktueller Gesetzlage heimtückisch und damit als Mord zu qualifizieren. Bei Differenzierung nach Verantwortungssphären wäre dies nur Totschlag.
Lebenslang – ja, aber nicht zwingend
Die lebenslange Freiheitsstrafe soll nach Auffassung des DAV bestehen bleiben – allerdings nicht als Automatismus. Um auch bei Mord auf der Schuldebene differenzieren zu können, soll auch hier ein Strafrahmen gelten, der die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ermöglicht, aber nicht darauf beschränkt ist. Der DAV schlägt eine Spanne von zehn Jahren bis lebenslange Freiheitsstrafe vor. "Dies gibt den Gerichten die Möglichkeit, die Strafe im Einzelfall gerechter zu bestimmen", so DAV-Strafrechtsexperte Müssig.
Als prominentes Beispiel nennt der DAV den Fall um Marianne Bachmeier, die den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter im Gericht von hinten erschoss und – trotz ursprünglicher Mordanklage – am Ende wegen Totschlags verurteilt wurde. "Lebenslang" sei in diesem Kontext undenkbar gewesen. Gerichte sollten aber nicht in die Verlegenheit kommen, die Tatbestandsmerkmale zu verbiegen, "um nur irgendwie aus dem Mord-Paragrafen herauszukommen", so der DAV – nur, weil die Androhung von "lebenslang" in der Gesamtschau der Tat unerträglich wäre. Dafür brauche es die entsprechende Spanne.