DAV fordert neues Aufnahmeprogramm für afghanische Juristinnen und Juristen

Ein Jahr nach Machtübernahme der Taliban verschlechtert sich laut Deutschem Anwaltverein (DAV) die Lage in Afghanistan für Angehörige juristischer Berufe, vor allem für die weibliche Anwalt- und Richterschaft zusehends. Der DAV fordert daher in einem Statement vom 15.08.2022 die Bundesregierung zur zügigen Umsetzung eines weiteren Aufnahmeprogramms auf. Ferner drängt der Verein auf die Etablierung von Rechtsberatung als Standardmaßnahme humanitärer Hilfe.

Ruge: Freie Anwaltschaft praktisch nicht mehr existent

Das Land befinde sich in einer nie da gewesenen humanitären Notlage, stellt Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins, in dem Statement fest. Besorgniserregend sei vor allem die Situation von Juristinnen wie Rechtsanwältinnen, Strafverteidigerinnen und Richterinnen im Land, die aufgrund ihrer vorherigen oder aktuellen Berufsausübung tagtäglich massiver Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt seien. "Eine freie Anwaltschaft ist unter dem Taliban-Regime praktisch nicht mehr existent", so Ruge. Die im Afghanistan-Aktionsplan des Auswärtigen Amts für diesen Sommer vorgesehene weitere Evakuierungsmission für besonders schutzbedürftige Personen werde von den neuen Machthabern in Kabul torpediert.

Aufnahmeprozess zu schwerfällig

Es braucht laut Ruge dringend ein weiteres humanitäres Aufnahmeprogramm, wie im Koalitionsvertrag angekündigt. "Personen, die bereits eine Aufnahmezusage erhalten haben oder die für ein Schutzprogramm vorgemerkt sind, müssen inklusive ihrer Familien schnellstmöglich außer Landes gebracht werden", so Ruge weiter. Die Erteilung humanitärer Visa und die Aufnahme von hochgefährdeten Menschen seien noch viel zu kompliziert und bürokratisch. Hier müsse Deutschland seiner auch rechtlichen Schutzverantwortung noch besser nachkommen.

Gitta Kharraz, 16. August 2022.