Asylprozessrecht: DAV gegen Tatsachenfeststellungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichts

Der Deutsche Anwaltverein bekräftigt in einer Stellungnahme vom August 2018 zur aktuellen Diskussion über die Rechtsmittel im Asylverfahren seine Forderung nach einer umfassenden Gleichstellung des Asyl- mit dem allgemeinen Verwaltungsprozessrecht. Nur so könne das Asylverfahren schnell und nachhaltig verbessert werden. Zugleich spricht er sich gegen eine Tatsachenfeststellungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichts aus.  

DAV: Zugang zur Berufung allgemeinem Verwaltungsprozessrecht angleichen

Der DAV hält den Vorschlag, wonach das Verwaltungsgericht im Asylprozess die Berufung wie im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht und die Beschwerde - allerdings abweichend vom allgemeinen Verwaltungsprozessrecht - bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zulassen können solle, für einen Schritt in die richtige Richtung. Er fordert aber darüber hinaus, dass im Hauptsacheverfahren die Berufung auch wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des VG-Urteils und auch wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen werden können müsse. Zudem müsse im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Beschwerde vollumfänglich möglich sein. Der Zugang zum Rechtsmittel im Sinne des allgemeinen Verwaltungsprozessrechtes müsse vollständig, nicht nur "dosiert", ermöglicht werden.

DAV lehnt Tatsachenfeststellungskompetenz des BVerwG ab

Der zum Teil erhobenen Forderung, dem Bundesverwaltungsgericht im Asylprozess die Möglichkeit zu geben, abweichend vom bisherigen Recht auch Fragen tatsächlicher Art und gerade auch der Tatsachenwürdigung zu behandeln, erteilt der DAV eine Absage. Bislang könne das BVerwG nur in wenigen Ausnahmefällen erstinstanzlich entscheiden, wobei es sich stets um Einzelfallentscheidungen handele. Die für das Asylverfahren vorgeschlagenen Änderungen zielten hingegen mittels "fallübergreifender Tatsachenfeststellung" auf eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung in tatsächlicher Hinsicht bis hin zu einer Leitentscheidung mit Bindungswirkung für andere Verfahren. 

Gefahr der Rechtsschutzverkürzung 

Der DAV moniert, dass dabei außer Acht gelassen werde, dass Asylentscheidungen Einzelfallentscheidungen seien, die alle Umstände des individuellen Einzelfalles berücksichtigten müssten. Es bestehe die große Gefahr, dass pauschalisierte Festlegungen im Tatsachenbereich, die notwendig nicht alle individuellen Umstände erfassen könnten, letztendlich zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes der Betroffenen führen werden. Die Vorschläge für eine erweiterte Kompetenz des BVerwG seien zudem nicht nur ungeeignet, sondern auch kontraproduktiv: 

Erfordernis "tagesaktueller" Asylentscheidungen steht Leitentscheidungen mit Bindungswirkung entgegen

Sogenannte Leitentscheidungen mit Bindungswirkung führten insbesondere bei Herkunftsländern mit volatiler Sicherheitslage zu keiner nachhaltigen Klärung. Denn die betreffenden Sachverhalte seien einer ständigen Entwicklung und Änderung unterworfen, auf die rasch und flexibel reagiert werden muss. Der DAV verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Asylentscheidungen "gleichsam tagesaktuell" stets die aktuellsten Erkenntnismittel zugrunde liegen müssten. 

Entlastungs- und Beschleunigungspotentiale des Verfahrensrechts besser nutzen

Nach Auffassung des DAV sollte der Blick verstärkt auf mögliche Entlastungs- und Beschleunigungspotentiale des Verfahrensrechts gerichtet werden. Als Beispiel nennt der DAV, dass das Verwaltungsgericht von der in § 113 Abs. 3 S. 1 VwGO eröffneten Zurückverweisung des Falles an die Behörde konsequent Gebrauch machen könnte. Ferner sollten die im Gerichtsverfahren bisher schon praktizierten Vorgehensweisen - etwa Anfrage des Gerichts, ob klaglos gestellt wird, Einbestellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zum Gerichtstermin - ebenfalls vermehrt eingesetzt werden.

Redaktion beck-aktuell, 13. August 2018.