DAV: Geplantes Versammlungsgesetz schießt übers Ziel hinaus
Das nordrhein-westfälische Versammlungsgesetz will einen Ausgleich zwischen der grundrechtlich garantierten Versammlungsfreiheit und der öffentlichen Sicherheit schaffen – unter Berücksichtigung gesellschaftlicher und technischer Entwicklungen der letzten Jahre. Mit ihrem Gesetzentwurf schieße die schwarz-gelbe Landesregierung über das Ziel hinaus, meint der DAV. "In der Gesamtschau des Entwurfs drängt sich der Eindruck auf, dass Versammlungen hier als etwas prinzipiell Störendes, jedenfalls als prinzipiell Gefährliches und zu Überwachendes angesehen werden und nicht als etwas, das in einer Demokratie zu fördern ist", so DAV-Experte Wilhelm Achelpöhler.
Einschüchterungseffekt durch polizeiliche Videoaufnahmen
Nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung solle die Polizei bei Versammlungen unter freiem Himmel unter bestimmten Voraussetzungen Übersichtsaufnahmen anfertigen dürfen. "Die Videobeobachtung beeinträchtigt die innere Versammlungsfreiheit, weil bereits die Möglichkeit einer Aufzeichnung eine Einschüchterungswirkung hat", mahnt Achelpöhler. "Bürgerinnen und Bürger könnten von der Teilnahme an einer Versammlung abgeschreckt werden oder sich innerhalb dieser nicht frei bewegen." Wegen ihres Einschüchterungseffekts stelle der Einsatz von Videokameras immer einen Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dar. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für Übersichtsaufnahmen, die nicht gespeichert werden.
Geplante Sanktionen könnten Effektivität der Gefahrenabwehr schmälern
Versammlungen müssten grundsätzlich angemeldet werden – etwa um verkehrslenkende Maßnahmen zu ergreifen oder um die Gefahr gegenläufiger Kundgebungen einzuschätzen, so der DAV weiter. Problematisch sei beim NRW-Regierungsentwurf jedoch die Sanktionsebene. So drohe dem Leiter oder Veranstalter einer nicht angemeldeten Versammlung eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr – was in der Praxis mit der Effektivität der Gefahrenabwehr kollidieren könne, wie Achelpöhler skizziert: "Bei unangemeldeten Kleinversammlungen – etwa drei Demonstrantinnen mit einem Transparent vor dem Haupteingang eines Energieversorgers – wären die Teilnehmenden gut beraten, keinen Ansprechpartner für die Polizei zu benennen. Wer sich nämlich gegenüber der Polizei, auch in guter Absicht, als Ansprechperson zur Verfügung stellt, bringt sich in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung." Eine Vermeidung der Kooperation zur Vermeidung einer Strafanzeige könne indes nicht im Sinne der Vorschrift sein.
DAV hält Verbot gleichartiger Kleidung als zu weit gehend
Das neue Versammlungsgesetz enthält laut DAV auch ein Verbot von militantem Auftreten, etwa durch gleichartige Kleidung oder einschüchterndes Aufmarschieren rechtsextremer Gruppen oder auch linksradikaler Störer. Als Beispiel für gleichartige Kleidung sollen selbst die weißen Maler-Overalls – vielfach bei Klimaschutzdemos zu sehen – künftig verboten sein: Die Begründung des Gesetzentwurfs nennt sie in einem Atemzug mit Nazi-Uniformen von SA und SS. Auch hier geht der Entwurf in den Augen des DAV zu weit: "Gleichartige Kleidung als Ausdruck einer gemeinsamen Meinungsäußerung ist etwas anderes als eine Uniformierung zum Ausdruck der Gewaltbereitschaft", stellt Achelpöhler klar. "Das Verbot darf nicht an der bloßen Einheitlichkeit des Auftretens anknüpfen, sondern allein an der damit zum Ausdruck kommenden Gewaltbereitschaft."