DAV gegen Vielklägergebühr in sozialgerichtlichen Verfahren

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich gegen einen im Bundesrat eingebrachten Antrag des Landes Hessen ausgesprochen, der die Einführung einer "Vielklägergebühr" in sozialgerichtlichen Verfahren vorsieht. Laut Antrag soll als Vielkläger angesehen werden, wer innerhalb der letzten zehn Jahre bereits zehn oder mehr Verfahren in einem Land angestrengt hat. Der DAV kritisiert bereits die Grundannahme als fehlerhaft und das Vorhaben selbst als unnötig. Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass sozialgerichtliche Klagen auch durchaus Erfolg haben.

Ziel: Ressourcenschonung der Justiz

Ziel des hessischen Vorstoßes soll die Ressourcenschonung der Justiz sein. Notwendig mache dies eine Vielzahl aussichtsloser Anliegen "ohne berechtigtes Rechtsschutzinteresse", die die Gerichte unnötig belasteten. Hierfür sieht der Gesetzesentwurf die Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr vor, die von sogenannten Vielklägern gezahlt werden soll, bevor weitere Verfahren bearbeitet werden.  

DAV: Vermutung eines Rechtsmissbrauchs nicht immer gerechtfertigt

Der Vorsitzende des Ausschusses Sozialrecht des DAV, Hermann Plagemann, kritisiert die daran anknüpfende Vermutung eines Rechtsmissbrauchs. Denn zehn Verfahren in zehn Jahren seien etwa im Bereich der Grundsicherung keine Seltenheit – und rechtfertigten auch keine Sanktion. Zehn Verfahren in zehn Jahren könne es auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geben, so Plagemann weiter, etwa beim Streit um Kostenerstattung für Behandlungen, die sich halbjährlich wiederholen, aber immer wieder neue Verwaltungsverfahren erfordern.

Gebühr könnte Bürger vor Klage abhalten

Auch die Kombination von einstweiligem Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren könne leicht zu einer solchen Summierung führen, so der DAV-Experte weiter. "Sollte die Gebühr eingeführt werden, bestünde die Gefahr, dass Bürger abgeschreckt werden, den Klageweg überhaupt einzuschlagen", warnt Plagemann. Gerade im Bereich des Sozialrechts mit seinen sensiblen, oft existenziellen Fragen sei dies mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz schwer vereinbar.

Genügend Instrumente gegen Rechtsmissbrauch vorhanden

Nach Ansicht des DAV sollte der Gesetzgeber handwerklich bessere Gesetze verfassen, die leichter angewendet werden können. Dann müssten sich nicht so viele Betroffene später – erfolgreich – dagegen zur Wehr setzen. Für die seltenen Fälle, in denen die Gerichte eindeutig missbraucht werden, habe die Justiz überdies genügend Instrumente, dagegen vorzugehen, etwa mit der Sanktionsmöglichkeit des § 192 SGG.


Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2021.