Verfahren und Prozesssituation maßgeblich
Die Akzeptanz in der Anwaltschaft für Videoverhandlungen schätzt der DAV als sehr hoch ein – sofern sich das Verfahren und die Prozesssituation grundsätzlich dafür eignen. "Je mehr Menschen am Prozess beteiligt sind – sei es auf der Richterbank oder aufseiten der Parteien – umso schwieriger ist es nach den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten, das gesamte Setting in Bild und Ton ausreichend zu erfassen", betonte Rechtsanwältin Vanessa Pickenpack, Mitglied des DAV-Ausschusses Zivilverfahrensrecht. Ebenso könne die Technik etwa bei Zeugenvernehmungen die Dynamik stören und eine Glaubwürdigkeitseinschätzung erschweren.
Auch persönlicher Eindruck entscheidend
Daher dürfe das Recht der Parteien, einer zu vernehmenden Person unmittelbar gegenüberzutreten, nicht eingeschränkt werden. Denn für die Würdigung einer Aussage sei auch der persönliche Eindruck entscheidend, etwa zur Körpersprache der befragten Person in der Vernehmungssituation. Generell müsse die Anordnung von Videoverhandlungen gegen den Willen einer Partei tabu sein, sagte Pickenpack.
Offener Livestream aus Gerichtssaal problematisch
Der DAV hält es auch für problematisch, wenn sich das Gericht selbst nicht im Gerichtssaal befindet. Dies stünde in Konflikt mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz. Ein offener Livestream aus dem Gerichtssaal wäre aus Sicherheitsgründen keine Alternative. Denkbar wäre allenfalls eine Online-Übertragung mit Anmeldeerfordernis oder ähnlicher Beschränkung und sanktioniertem Verbot der Aufzeichnung und Verbreitung.
Mehr Videokonferenzanlagen erforderlich
Technischen Verbesserungsbedarf sieht der DAV in seiner Stellungnahme sowohl bei der Anzahl der Videokonferenzanlagen als auch bei der Ausstattung mit Mikrofonen und Kameras, um eine hinreichende visuelle und akustische Übertragung sicherzustellen.