Parlamentarische Kontrolle der Corona-Verordnungen gewährleisten
“In einem demokratischen Rechtsstaat müssen Regelungen, die tief in die Grundrechte eingreifen, vom Parlament getroffen werden”, betonte DAV-Präsidentin Edith Kindermann. "Sie können nicht durch weitreichende Verordnungsermächtigungen der Exekutive eingeräumt werden.” Die Bundesregierung müsse verpflichtet werden, erlassene Infektionsschutz-Verordnungen zumindest nachträglich dem Bundestag zur Überprüfung vorzulegen. Dies sei notwendig, um eine parlamentarische Kontrolle auch in Krisenzeiten zu gewährleisten. Ferner fordert der DAV hier eine Zustimmung des Bundesrates.
Bundestag muss auch ohne physische Zusammenkunft entscheiden können
Damit in der Krise die parlamentarische Kontrolle faktisch überhaupt möglich ist, müsse überdies die Geschäftsordnung des Bundestages geändert werden, damit Entscheidungen auch ohne physische Zusammenkunft getroffen werden können. “Die heute zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel machen dezentrale Kommunikation und Entscheidungen möglich, wie wir gerade erleben und erlernen”, so die DAV-Präsidentin. Andere Parlamente, etwa das Europäische Parlament, zeigten hier entsprechende Möglichkeiten auf.
Strafprozesse: Audiovisuelle Dokumentation der Hauptverhandlung wichtig
Die pandemiebedingt eingeführte Hemmungsregel erlaube in Strafprozessen nunmehr eine Unterbrechung der Hauptverhandlung von maximal drei Monaten und zehn Tagen. Dies führe die Notwendigkeit der zügigen Einführung einer audiovisuellen Dokumentation noch dringlicher vor Augen, stellte der DAV in seinem Schreiben weiter klar. Trotz einer bis zu 102 Tagen dauernden Unterbrechung werde der zuvor verhandelte Verfahrensstoff nach wie vor allein im Gedächtnis der Verfahrensbeteiligten und ihren Notizen festgehalten. Die bisherigen Erkenntnisse in Strafprozessen könnten stattdessen durch eine audiovisuelle Dokumentation rekonstruiert werden. Ohne diese leide die Qualität des Strafprozesses. Selbst die Qualität der bisherigen schriftlichen Protokollierung sei lückenhaft. "Die Richterschaft sollte anhand der Unterbrechungsregelung nunmehr ihren Widerstand aufgeben“, so die DAV-Präsidentin.
Digitalisierung weiter vorantreiben
Eine sowohl auf die Schonung ihrer Ressourcen als auch auf die Qualität ihrer Entscheidungen bedachte Justiz werde sich – und nicht nur in Zeiten der Pandemie – inhaltlich undokumentierte Hauptverhandlungen nicht mehr weiterhin leisten. “Wir sollten auch die Chance der durch die Pandemie ausgelösten fortschreitenden Digitalisierung der Justiz nutzen!”, mahnt die DAV-Präsidentin. In der EU sei die Bundesrepublik nur einer von drei Staaten, welche sich den zweifelhaften Luxus leisten, ihre strafrechtlichen Hauptverhandlungen inhaltlich nicht zu dokumentieren.