DAV fordert erneut Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe

Nach einer aktuellen Erhebung verbüßen in Berlin wieder deutlich mehr Menschen wegen nicht bezahlter Geldstrafen eine Ersatzfreiheitsstrafe (EFS). Diese sollte abgeschafft werden, fordert Swen Walentowski vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Denn Wegsperren helfe nicht gegen Armutskriminalität.

Beachtlich ist laut Walentowski der Anteil an den Häftlingen insgesamt: Von den rund 8.360 Menschen, die im Jahr 2022 in den Berliner Gefängnissen einsaßen, waren 2.390 Personen nur ersatzweise wegen nicht bezahlter Geldstrafen dort – mehr als 28%.

"Jeder vierte Insasse eines Berliner Gefängnisses wurde nie zu einer Haftstrafe verurteilt", so der DAV-Anwalt. "Wie kann es in einem Rechtsstaat an der Tagesordnung sein, dass Menschen für Bagatelldelikte – allen voran U-Bahnfahren ohne Ticket – in Haft sitzen?“ Meistens seien die EFS-Häftlinge arbeitslos und verschuldet und die Inhaftierung verschärfe regelmäßig die Lage der Betroffenen, erklärt Walentowski.

Auch die kürzlich beschlossene Halbierung der Hafttage bei der Umrechnung der Geldstrafe könne diesen Effekt nur bedingt abmildern, so der DAV-Anwalt. Armutskriminalität sei ein soziales Problem, aber keine Gefahr für die Rechtsordnung.

Zahlungsunwillige anders behandeln als Zahlungsunfähige

Eine sinnvollere Stellschraube, um gar nicht erst Ersatzhaft verhängen zu müssen, wäre die Entkriminalisierung der ÖPNV-Nutzung ohne gültigen Fahrschein – das Strafrecht habe da eigentlich nichts zu suchen. Schließlich gehe es dabei nur um zivilrechtliche Ansprüche, die dann meist auch gar nicht beizutreiben sind, so Walentowski.

Generell sei das Nichtzahlen von Geldstrafen oft ein Fall des Nicht-Könnens. Die deutlich selteneren Fälle der Zahlungsunwilligkeit sollten durch verpflichtende Anhörungen vor Vollstreckung einer EFS herausgesiebt werden. Sei die betroffene Person hingegen zahlungsunfähig, sollte die Strafe ausgesetzt werden. Es sollten nur die getroffen werden, die nicht zahlen wollen, fordert Walentowski in seinem Statement.

Zuletzt sei auch der Kostenfaktor der EFS nicht zu verachten, heißt es im Statement weiter. Denn ein Tag Haft in Berlin koste die Landeskasse 226 Euro. Bei rund 14.000 EFS-Häftlingen in den letzten fünf Jahren kämen so mehr als drei Millionen Euro zusammen, die in Beratungs- und Unterstützungsangeboten sicher nachhaltiger angelegt wären,  so der Anwalt des Deutschen Anwaltverein. Der DAV kritisiert das System der EFS bereits seit Langem.

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 8. August 2023.