Zahlreiche Bestimmungen des Entwurfs* beurteilt der DAV als nicht durchdacht und verfassungsrechtlich bedenklich bis hin zu klar verfassungswidrig. Er fordert daher die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, nun im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens für Nachbesserungen zu sorgen, um die Verabschiedung eines laut DAV sonst evident verfassungswidrigen Law-and-Order-Gesetzes zu verhindern. Der Gesetzentwurf kodifiziere vor allem die Wunschvorstellungen der Nachrichtendienste, missachte aber bewusst die klaren Vorgaben aus Karlsruhe, so Gazeas weiter.
Das Kabinett hatte die Reformvorschläge Ende August beschlossen. Sie sind eine Reaktion auf die Russland-Spionageaffäre beim Bundesnachrichtendienst im vergangenen Jahr und sollen den deutschen Auslandsgeheimdienst unter anderem besser vor Spionage schützen.
Mit der Reform will die Bundesregierung auch Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr umsetzen. Karlsruhe hatte gefordert, die Übermittlung personenbezogener Daten durch Nachrichtendienste an Polizeien und Staatsanwaltschaften einzuschränken (NVwZ-RR 2023, 1). Der DAV prognostiziert allerdings, dass die neuen Regeln vor dem BVerfG keinen Bestand haben werden, weil sie die Befugnisse der Nachrichtendienste im Vergleich zur bisherigen Rechtslage sogar noch ausweiten.
"Zum Teil auch für Fachleute unverständlich"
Noch schlimmer sei es, so Gazeas weiter, dass dies nicht aus Unkenntnis oder Fehldeutung geschehe, sondern bewusst. Wenn aus dem BMI während der Verhandlungen von dem Entwurfsverfasser offen erklärt werde, dass es "nicht seine primäre Aufgabe sei, ein verfassungskonformes Gesetz zu verfassen, sondern die Arbeitsfähigkeit der Nachrichtendienste sicherzustellen", spreche das Bände.
Zu dieser Gangart passt für den DAV-Vertreter auch, dass die im Gesetzgebungsverfahren übliche Verbändebeteiligung durch das BMI bewusst umgangen worden sei, um Kritik vor einer Befassung des Kabinetts gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zudem seien Gesetzestext wie auch die Entwurfsbegründung handwerklich schlecht gemacht. Der Zweck vieler Bestimmungen werde nicht oder nur unzureichend klar, die Normen seien zum Teil auch für Fachleute unverständlich formuliert.
Auf Stellungnahmen aus der Wissenschaft sei nur einseitig auf jene aus dem konservativen Lager eingegangen worden, der "störende" Rest, zu dem einige der namhaftesten Rechtswissenschaftler auf diesem Gebiet zählten, werde vollständig ausgeblendet, so der Rechtsanwalt weiter.
Gazeas ist der Auffassung, dass die neuen Regeln den Nachrichtendiensten im Endeffekt sogar schaden können, falls das BVerfG die Datenüberwachungsvorschriften erneut kassiert. Dann dürften Überwachungsmaßnahmen durch Dienste, die schon im Vorfeld von polizeirechtlicher Gefahr und strafprozessualem Anfangsverdacht operieren dürfen, überhaupt nicht mehr erfolgen.
(*Hinweis der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Artikels war versehentlich statt des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienst-Rechts die Reform des BND-Gesetzes als Ziel der DAV-Kritik benannt.)