DAV: Corona-Maßnahmen reif für parlamentarische Kontrolle?

Die Zahl der Covid-19-Infizierten in Deutschland steigt wieder. Corona-Maßnahmen werden verlängert, verändert oder auch neu erlassen – in aller Regel als Verordnungen wie zu Beginn der Krise. Aber wäre jetzt nicht der Moment, dieses Prozedere zu hinterfragen? Sollten die vielen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nicht ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen? Was dafür spräche, legt die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltverein (DAV) Sylvia Ruge dar.

DAV für Gesetzesgrundlage

Schon im Sommer 2020 habe sich der DAV dafür ausgesprochen, die Corona-Eindämmungs-Maßnahmen auf gesetzliche Grundlagen zu stellen, stellt Ruge zunächst klar. Denn in einem demokratischen Rechtsstaat müssten Regelungen, die tief in die Grundrechte der Menschen eingreifen, vom Parlament getroffen werden. Sie könnten nicht durch weitreichende Verordnungsermächtigungen der Exekutive überlassen werden.

Kein Notstand mehr

Zwar befinde sich Deutschland in einer zweiten Welle der Covid-19-Pandemie. Anders als zu Beginn der Krise werde man aber nicht länger überrascht oder überrumpelt von neuen Zahlen und neuen Umständen. Die jetzige Zeit sei zwar immer noch eine Ausnahmesituation, gemessen am Dasein vor dem Jahr 2020, aber kein Notstand mehr im engeren Sinne, meint Ruge.

Vorausschauendes Handeln möglich

Die Erfahrungen mit dem Pandemieverlauf der letzten Monate, auch im Blick auf Verläufe außerhalb Deutschlands, sollten es der Politik möglich machen, vorausschauend zu arbeiten. Der Zeitfaktor könne (langfristig) kein Ausschlussgrund für das parlamentarische Verfahren sein, erklärt Ruge weiter.

Höhere Akzeptanz

Auch gibt die DAV-Geschäftsführerin zu bedenken, dass das öffentliche Bewusstsein, dass derartige Einschränkungen einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen, auch in der Bevölkerung zu höherer Akzeptanz führen würde. Für die Wirksamkeit der Maßnahmen aber sei die Akzeptanz der Dreh- und Angelpunkt.

Redaktion beck-aktuell, 14. Oktober 2020.