Gesetzliche Verankerung verstärkt Sichtbarkeit der Treuepflicht
"Wer nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht, hat im Richteramt nichts verloren – das gilt für ehrenamtliche Richter nicht weniger als für hauptamtliche", so DAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvia Ruge. Zwar sei dies in der Praxis bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etabliert, nach der auch ehrenamtliche Richter als den hauptamtlichen Richtern gleichberechtigte Organe genuin staatlicher Aufgabenerfüllung zur besonderen Verfassungstreue verpflichtet seien. Die Verankerung im Gesetzestext unterstreiche die Treuepflicht jedoch noch einmal und verstärke ihre bundesweite Sichtbarkeit. Verfassungsfeindliche Gruppierungen hätten ihre Anhänger in der Vergangenheit wiederholt in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, als ehrenamtliche Richter – insbesondere als Schöffen – zu kandidieren. Der DAV plädiert aber dafür, die Verfassungstreue als positive Voraussetzung einer Berufung zu regeln, anstatt ihr Fehlen als Berufungsausschlussgrund auszugestalten. Das stünde im Einklang mit der entsprechenden Regelung für hauptamtliche Richter in § 9 Nr. 2 DRiG. Ferner würde dadurch einer sonst denkbaren Auslegung des § 44a Abs. 1 DRiG-E der Boden entzogen, nach der die Pflicht zur Verfassungstreue ehrenamtlicher Richter hinter der der hauptamtlicher Richter aus § 9 Nr. 2 DRiG zurückbleibe.
Fehlerhafte Besetzung bei verfassungsuntreuem ehrenamtlichen Richter?
Das Bundesjustizministerium geht davon aus, dass die Berufung eines ehrenamtlichen Richters trotz Vorliegens des zwingenden Ausschlussgrundes (Fehlen der Verfassungstreue) zu einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts führt. Ob dies tatsächlich so sei, bedarf laut DAV aber einer nochmaligen vertieften Überprüfung unter Berücksichtigung aller jeweils einschlägigen Prozessordnungen. Er weist darauf hin, dass bei anderen zwingenden Berufungsvoraussetzungen umstritten sei, ob ihr Fehlen automatisch zu einer fehlerhaften Besetzung führe. Allerdings wäre ein zwingender Revisionsgrund, generell oder im Einzelfall, wegen der Bedeutung der der rechtsprechenden Gewalt von Verfassung und Gesetzes wegen obliegenden Pflicht zur besonderen Verfassungstreue hinzunehmen. Zwar sei die Sorge, dass unterlegene Prozessbeteiligte die ehrenamtlichen Richter einer Art "Gesinnungsprüfung" unterziehen und missliebige Entscheidungen unter Verweis auf eine angeblich fehlerhafte Besetzung des Spruchkörpers anzugreifen versuchen, nicht unberechtigt. Allerdings gölten sehr strenge Substantiierungserfordernisse für Besetzungsrügen, im Strafrecht entschärfe zudem die Präklusionsregelung in § 222b StPO die Problematik.