DAV befürchtet Kriminalisierung von Asylrechtsanwälten

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt davor, dass durch die geplante Strafbarkeit falscher Angaben im Asylverfahren künftig auch Asylrechtsanwältinnen und -anwälte wegen Beihilfe verfolgt werden könnten. Die Neuregelung ist Teil eines Diskussionspapiers aus dem Bundesinnenministerium.

Der "Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rückführung" enthält neue Vorschriften zur Strafbarkeit falscher Angaben im Asylverfahren. Die Strafbarkeit bestünde unabhängig davon, ob dadurch ein Aufenthaltstitel erlangt wurde oder nicht, teilte der DAV am Freitag mit.

Die Vorschrift könne fatale Folgen für Asylrechtsanwältinnen und -anwälte haben, befürchtet Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des DAV-Ausschusses Migrationsrecht. "Kolleginnen und Kollegen müssten quasi bei jedem asylrechtlichen Mandat mit der Möglichkeit rechnen, zum Ziel strafrechtlicher Ermittlungen zu werden: wegen Beihilfe zu einer Straftat", sagte sie.

Anwältinnen und Anwälte würden nicht zum Lügen animieren. "Wir tragen das vor, was die Mandanten uns schildern", betonte Seidler. "Natürlich fragen wir uns manchmal, ob die eine oder andere Geschichte glaubhaft ist, das ist menschlich. Ein solcher Zweifel könnte aber künftig als bedingter Vorsatz ausgelegt werden."

DAV befürchtet Überlastung der Justiz

Die seltenen Fälle, dass eine falsche Angabe aufgrund eines späteren Geständnisses aufgedeckt wird, mögen einfach sein. Doch in allen anderen Konstellationen müssten die Verwaltungsgerichte bei kleinsten Zweifeln an der Geschichte künftig den Fall an die Staatsanwaltschaft abgeben – eine immense Blockade der Ressourcen von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, mahnt die Migrationsrechtlerin. "War es wirklich eine falsche Angabe, oder wurde nur fehlerhaft übersetzt oder falsch protokolliert? In Ermangelung einer technischen Aufzeichnung müssten alle Beteiligten als Zeugen befragt werden", so Seidler.

Falsche Angaben über Identität und Staatsangehörigkeit, offenkundig falsche Tatsachen oder Widersprüche in wesentlichen Punkten würden schon jetzt dazu führen, dass der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und eine Kette an aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen in Gang gesetzt werde.

Für zusätzliche strafrechtliche Sanktionierung bestehe kein Bedarf. "Der Gesetzgeber hat sich schon 1982 bewusst gegen eine Strafandrohung für das Erschleichen der Asylanerkennung und falsche Angaben im Asylverfahrensgesetz entschieden", so Seidler. Dadurch sollte etwa vermieden werden, dass Asylsuchende durch die eigene Strafdrohung im Verfahren gegen Schlepper ein Aussageverweigerungsrecht hätten.

Redaktion beck-aktuell, 25. August 2023.