DAV-Auftakt 2022 mit Fokus auf Strafrecht und Digitalisierung

Der Fokus des Jahresauftakts 2022 des Deutschen Anwaltvereins (DAV) lag in diesem Jahr auf der Modernisierung des Strafrechts und der Digitalisierung der Justiz. Die rechtspolitischen Sprecher und Sprecherinnen stellten am Dienstag ihre Agenda für die kommende Legislaturperiode vor und diskutierten rechtspolitische Punkte im Koalitionsvertrag. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) versprach eine enge Zusammenarbeit mit der Anwaltschaft.

Kindermann betont Bedeutung des Berufsgeheimnisträgerschutzes

DAV-Präsidentin Edith Kindermann fand im Rahmen der Veranstaltung klare Worte zum Berufsgeheimnisträgerschutz: Dieser sei "unverzichtbar" und "unverrückbar". Dass viele Forderungen und Projekte des DAV ihren Weg in den Koalitionsvertrag gefunden hätten, stimme sie zufrieden. Gleichzeitig benannte Kindermann einige der wichtigsten Punkte, die es in der kommenden Legislaturperiode anzugehen gelte: Die Reform des Familienrechts – insbesondere der Betreuung minderjähriger Kinder und der daran anknüpfenden finanziellen Folgen – sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Beim Thema "digitale Transformation" pochte sie auf eine ganzheitliche Umsetzung und die Einbeziehung der Anwaltschaft.

Audiovisuelle Dokumentation von Gerichtsverfahren rückt näher

Im Mittelpunkt der Diskussion stand das Thema Digitalisierung der Justiz und der Rechtspflege. Wie der DAV mitteilt, ist insbesondere seine Forderung nach einer audiovisuellen Dokumentation von Gerichtsverfahren auf Zustimmung gestoßen. Besonders beim Zivilprozess sah die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr, keine Schwierigkeiten selbst eines vollständig virtuellen Verfahrens.

Buschmann tritt Bedenken in Bezug auf Strafprozesse entgegen

Bedenken äußerte die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), in Bezug auf Strafprozesse: Die Aussage von Zeugen könne durch deren Wissen beeinträchtigt werden, dass ihre Vernehmung in Bild und Ton dokumentiert werde. Die Bedenken teilte Bundesjustizminister Buschmann dagegen nicht. Er kündigte an, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die technischen Möglichkeiten auch zum Einsatz kämen: "Wir brauchen das digitale Gericht und den digitalen Rechtsstaat, denn wir leben in einer digitalen Gegenwart", betonte er in seinem Grußwort.

Modernisierung des Strafrechts soll Justiz entlasten

Als zentrales Anliegen nannten Sonja Eichwede (SPD) und Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) eine Modernisierung des Strafrechts. Bestehende Strafrechtsnormen müssten auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche geprüft werden. Der Strafprozess solle effizienter gestaltet, die Justiz entlastet werden. Katrin Helling-Plahr (FDP) verwies – auch mit Blick auf die aktuelle Debatte um die Wiederaufnahme von Strafverfahren zuungunsten Freigesprochener – auf verfassungsmäßige Grundsätze, die das Strafrecht nicht aushöhlen dürfe.

Hervorhebung des Ultima-Ratio-Charakters des Strafrechts

Die Vertreter und Vertreterinnen der Ampel-Koalition betonten auch den Ultima-Ratio-Charakter des Strafrechts. Gerade für Bagatelldelikte, wie das Fahren ohne Fahrschein, sei das Strafrecht nicht das richtige Werkzeug, so der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Helge Limburg. Buschmann versprach in seinem Grußwort nicht nur höhere Eingriffsschwellen bei Behörden-Befugnissen, sondern auch die Streichung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung und die Überprüfung der geltenden Straf- und Sicherheitsgesetze. "Diese Koalition wird eine Koalition des Rechtsstaats und der Freiheit sein", so Buschmann.

Behördliche Eingriffsbefugnisse thematisiert

Eichwede thematisierte nach Mitteilung des DAV ebenfalls die behördlichen Eingriffsbefugnisse und griff dabei ein weiteres Projekt des DAV auf: die Überwachungsgesamtrechnung. Dieses Vorhaben werde zügig angegangen. "Ich bin froh, bei diesem Thema auf die Expertise und den Rat des DAV zählen zu können", betonte Eichwede. Gegenrede gab es nach Mitteilung des DAV von Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), die versicherte, es habe in der Vergangenheit keine überschießende Freiheitsbeschränkung gegeben.

Anwaltsvergütung und Legal-Tech-Unternehmen thematisiert

Kindermann wiederholte die DAV-Forderung einer linearen Anpassung der RVG-Sätze in jeder Legislaturperiode. Die Moderatorin der Veranstaltung, Helene Bubrowski, befragte dazu die Gäste. Einig war man sich auf dem Podium mit dem Bundesjustizminister darüber, dass die Anwaltschaft aufgrund ihrer Funktion angemessen vergütet sein müsste. Als es um die Themen Erfolgshonorar, Fremdbesitzverbot und den Rechtsrahmen für Legal-Tech-Unternehmen ging, waren die Äußerungen nach Mitteilung des DAV noch unkonkret. Laut Helling-Plahr gebe es aber unstreitig eine regulatorische Schieflage zwischen Anwaltschaft und Legal-Tech-Unternehmen.

Redaktion beck-aktuell, 12. Januar 2022.