Cum-Ex-Komplex: Scholz für längere Verjährungsfrist bei schwerer Steuerhinterziehung

Mit einem schwer zu durchschauenden Dividendenkarussell sollen Aktienhändler den Staat um Milliarden geprellt haben. Ein erstes Urteil zu den "Cum-Ex-Geschäften“ gibt es inzwischen. Die Ermittler haben aber noch viel Arbeit. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will ihnen dafür mehr Zeit geben und schlägt vor, die Verjährungsfrist bei schwerer Steuerhinterziehung um fünf Jahre von bislang 20 Jahre auf 25 Jahre zu verlängern.

Steuerschlupfloch wurde 2012 geschlossen

Die Verlängerung der Verjährungsfrist soll mit dem Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise auf den Weg gebracht werden. Er wolle sicherstellen, dass "die strafrechtliche Verfolgungsverjährung für Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung deutlich verlängert wird", sagte Scholz dem "Handelsblatt“. Bei "Cum-Ex“-Geschäften nutzten Investoren eine Lücke im Gesetz. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand ein Milliardenschaden. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen.

Ohne Fristverlängerung droht für manche Taten bald Verjährung

"Mehr als 100 Banken auf vier Kontinenten sind von den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden betroffen sowie letztlich wohl circa 1.000 Verantwortliche“, heißt es in der Begründung des von Scholz vorgelegten Gesetzentwurfs. Die Aufklärung der Strukturen der Cum-Ex-Deals sowie des Zusammenwirkens der Beteiligten sei äußerst schwierig. Ohne eine Verlängerung der absoluten Verfolgungsverjährung würde schon in naher Zukunft eine Verjährung der ersten Taten drohen. Allein in Nordrhein-Westfalen, wo die allermeisten Cum-Ex-Ermittlungen laufen, gibt es nach Angaben von Landesjustizminister Peter Biesenbach (CDU) mittlerweile 68 Ermittlungsverfahren mit rund 880 Beschuldigten. Das sind mehr als doppelt so viele Beschuldigte wie noch im September 2019.

Erstes Urteil im März 2020

Im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafprozess hatte das Landgericht Bonn im März 2020 zwei britische Aktienhändler, die als Kronzeugen umfassend zur Aufklärung beigetragen hatten, zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Privatbank M.M. Warburg war als sogenannte Einziehungsbeteiligte zur Zahlung von 176 Millionen Euro aufgefordert worden. Dagegen hat sie Revision eingelegt, so dass der Fall vor dem Bundesgerichtshof landet. Mittlerweile gibt es am Landgericht Bonn ein weiteres Verfahren im Cum-Ex-Komplex, wie ein Gerichtssprecher am 09.06.2020 bestätigte. Einzelheiten nannte er nicht.

Redaktion beck-aktuell, 10. Juni 2020 (dpa).