Coronavirus schränkt Arbeit der Gerichte in Bund und Ländern ein

Verschobene Urteile, abgesagte Verhandlungen, Richter im Homeoffice – die Ausbreitung des Coronavirus zwingt auch die Gerichte und Justizbehörden zu einschneidenden Maßnahmen. Das Bundesverfassungsgericht verlegte am 16.03.2020 die Verkündung eines wichtigen Urteils vom 24.03. auf den 05.05.2020. Der Bundesgerichtshof sagte erste Verhandlungen ab. Das Bundesverwaltungsgericht teilte am 17.03.2020 mit, wegen Coronavirus-Infektionen mehrerer Beschäftigter in einen Notbetrieb zu gehen. In Baden-Württemberg werden nur noch wichtige Prozesse verhandelt und die meisten Angestellten und Beamten nach Hause geschickt. Auch in Bayern und Nordrhein-Westfalen kommt es zu Einschränkungen.

Wichtige Urteilsverkündung des BVerfG abgesagt – Verhandlungen des BGH aufgehoben

Das BVerfG hatte eigentlich am 24.03.2020 sein Urteil zu den milliardenschweren Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) verkünden wollen. Im Raum steht der Vorwurf, dass die EZB damit verbotenerweise Staatsfinanzierung und Wirtschaftspolitik betreibt. Dieser Termin sei "zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus abgesagt", teilte das Gericht mit. Am BGH wurden mehrere angesetzte Verhandlungstermine aufgehoben. Die Entscheidung hätten die jeweiligen Senatsvorsitzenden getroffen, sagte eine Sprecherin des obersten Zivil- und Strafgerichts mit Hauptsitz in Karlsruhe und Außenstelle in Leipzig. "Unser primäres Ziel ist es, die persönlichen Kontakte zu verringern." Die Reduzierung der Verhandlungen sei eine Möglichkeit. Die Lage werde jeden Tag neu bewertet. Die Durchführbarkeit von Haftprüfungen müsse aber gewährleistet bleiben. Am BVerwG werden voraussichtlich bis zum 19.04.2020 keine mündlichen Verhandlungen stattfinden. Nur noch "unaufschiebbare Angelegenheiten" würden bearbeitet. Das Gerichtsgebäude werde für die Öffentlichkeit geschlossen. Anträge, Klagen und Schriftsätze könnten aber wie gewohnt eingereicht werden. Eine Bearbeitung sei sichergestellt, versicherte das BVerwG.

Homeoffice für Richter in Baden-Württemberg – Teilweise Einstellung des Sitzungsbetriebs in München

Auf Landesebene in Baden-Württemberg wird der Betrieb nach den Worten von Justizminister Guido Wolf (CDU) stark beschränkt, aber nicht eingestellt. Ermittlungsrichter arbeiteten ebenso weiter wie Haftrichter, auch eilige Familiensachen würden entschieden. Verhandlungen, die stattfinden müssten, seien weiter öffentlich. Die Richter könnten über die elektronische Akte der Gerichtsstandorte vollwertig mobil im Homeoffice arbeiten. In Bayern sollen an den Verwaltungsgerichten bis Ende März keine Verhandlungen stattfinden. Der Verwaltungsgerichtshof in München habe dazu aufgerufen, den Sitzungsbetrieb zwischen dem 17.und 31.03.2020 komplett einzustellen, sagte ein Sprecher des Münchener Verwaltungsgerichts. Auch an Zivilgerichten wie dem Landgericht München I fallen nach Angaben einer Sprecherin Verhandlungen aus.

Nordrhein-Westfalen will Justizbetrieb bei gleichzeitiger Minimierung der Ansteckungsgefahr aufrechterhalten

Das nordrhein-westfälische Justizministerium wollte sich am 17.03.2020 mit Vertretern der Gerichte im Land beraten. Ziel aller Maßnahmen müsse die Aufrechterhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze bei gleichzeitiger Minimierung der Ansteckungsgefahr sein, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Einzelne Gerichte in dem Bundesland haben bereits reagiert. "Die Gerichte konzentrieren sich auf Kernaufgaben", teilte zum Beispiel das Kölner Oberlandesgericht mit. Wichtig sei, auf vermeidbare soziale Kontakte zu verzichten. Das Bundesjustizministerium in Berlin erklärte auf Anfrage, welche Maßnahmen im Einzelfall getroffen würden, liege im Verantwortungsbereich des jeweiligen Gerichts. Auch bei den Strafgerichten sei die Unterbrechung laufender Hauptverhandlungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich – ein genereller Ausschluss der Öffentlichkeit allerdings nicht. Es könne aber zum Beispiel die Zahl der Zuschauerplätze reduziert werden. Das LG Bonn will den laufenden Cum-Ex-Prozess abkürzen. Er müsse angesichts der Corona-Epidemie zu einem schnellen Abschluss gebracht werden, teilte das Gericht mit. Anders als bisher geplant, werde man auf die sogenannte Einziehungsbeteiligung bei vier von fünf Banken verzichten. Angeklagt sind zwei britische Ex-Aktienhändler. Sie sollen einen Steuerschaden von 447,5 Millionen Euro mitverursacht haben.

Hamburger Gerichte schieben Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen befristet auf

Auch an den Hamburger Gerichten werden zahlreiche Verhandlungen verschoben. Stattdessen sollen möglichst nur noch dringende Fälle von den Richtern bearbeitet werden, wie die Justizbehörde mitteilte. Ein Teil der Arbeiten, wie etwa eine Haftprüfung, soll demnächst mithilfe von Tablets erledigt werden. Nicht zeitkritische Gerichtstermine werden verschoben oder zurückgestellt. Auch die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen, zum Beispiel wenn ein Schwarzfahrer seine Geldstrafe nicht zahlen kann, wird in den meisten Fällen zunächst befristet aufgeschoben. In den JVAs können Häftlinge zunächst keinen Besuch empfangen – künftige Regelungen dazu werden geprüft.

Redaktion beck-aktuell, 17. März 2020 (dpa).