Corona-Warn-App startet mit Lob und Diskussion um gesetzliche Grundlage
corona_warn_app_CR dpa Sven Hoppe
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Nach einigen Verzögerungen kann die sogenannte Corona-Warn-App nun auf Smartphones installiert werden. Während die aktuelle Art der Anbindung auch von Datenschützern für ihre Datensparsamkeit gelobt wurde, schloss sich der Deutsche Anwaltverein diesem Lob zwar an, forderte aber dennoch eine gesetzliche Absicherung der Grundlagen der Corona-App. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gab unterdessen Tipps zur Nutzung der App.

Funktionsweise der App

Die Corona-Warn-App nutzt nach Auskunft der Bundesregierung auf ihrer Webseite die Bluetooth-Technik, um den Abstand und die Begegnungsdauer zwischen Personen zu messen, die die App installiert haben. Die Smartphones "merkten" sich Begegnungen, wenn die vom Robert-Koch-Institut festgelegten Kriterien zu Abstand und Zeit erfüllt seien. Dann tauschten die Geräte untereinander Zufallscodes aus, die keine Rückschlüsse auf die beteiligten Personen oder deren Standorte zuließen. Würden Personen, die die App nutzen, positiv auf das Coronavirus getestet, könnten sie freiwillig andere Nutzer darüber informieren. Dann würden die Zufallscodes des Infizierten allen Personen zur Verfügung gestellt, die die Corona-Warn-App nutzen. Die App prüfe dann, ob der Nutzer die Corona-positiv getestete Person getroffen hatte. Diese Prüfung finde nur lokal auf dem Smartphone des Nutzers statt. Falls die Prüfung positiv sei, zeige die App eine Warnung an. 

Verbraucherzentrale informiert über Gefahren der Nutzung

Die Verbraucherzentrale Sachsen erläuterte, dass aus Ihrer Sicht zahlreiche Aspekte für eine Nutzung der App sprächen: Zunächst sei die Software der App quelloffen und der Code könne von jedermann eingesehen werden. Die App greife nicht auf Standortdaten der Nutzer zu und gebe auch keine Daten an Dritte weiter, um zum Beispiel epidemiologische Erkenntnisse zu gewinnen. Die Nutzerdaten würden anonym bzw. psyeudonym verarbeitet und gespeichert und die Nutzer könnten selbst entscheiden, ob sie die App nutzen und ob sie als Nutzer der App im Falle eines Positiv-Tests diese Information in die App einspeisen. Gegen die App spreche, dass sie an Google und Apple nicht vorbeikomme: Die übermittelten Daten flössen, zwar verschlüsselt und ohne Klarnamen, aber unvermeidlich durch die Systeme der beiden Anbieter. An dieser Stelle könnten weder die Entwickler noch der Staat eine 100%ige Sicherheit der Nutzerdaten garantieren.

Anwaltstag fordert gesetzliche Grundlage für App

Am Vorabend des offiziellen Starts der Corona-Tracing-App war sie Gegenstand der ersten großen rechtspolitischen Podiumsdiskussion beim virtuellen Deutschen Anwaltstag. Das Podium diskutierte über Freiwilligkeit, Effektivität und Datensicherheit. Letztlich sprach es sich – wie der Deutsche Anwaltverein – für eine gesetzliche Grundlage aus. Wie freiwillig wird die freiwillige Nutzung langfristig wirklich sein? Wird die App zur Zugangsvoraussetzung für Restaurants und Theater? Wird sie vom Arbeitgeber obligatorisch auf Diensthandys installiert? Wird sie zur Schranke bei Behördengängen? Zahlreiche Fragen seien nicht verbindlich geklärt und könnten zu Unsicherheit bei Nutzern führen. 

Keine Sicherheit ohne gesetzliche Grundlage

"Wir brauchen ein Gesetz, das in generalisierender Betrachtung auch mittelbare Diskriminierung ausschließt", fordert Rechtsanwalt Eren Basar, Mitglied im DAV-Ausschuss Gefahrenabwehrrecht. Es müsse sichergestellt werden, dass es nicht zu einem faktischen Zwang zur Nutzung kommt. Ein Gesetz schaffe Rechtssicherheit und Vertrauen in der Bevölkerung. Ohne ein solches Gesetz könnten die Rahmenbedingungen der Corona-Warn-App leicht – ohne Parlament, schon durch eine Verordnung – geändert werden, warnt der DAV. Auch wenn die datensparsame Ausgestaltung der Corona-App gelobt werde, bestehe immer die Gefahr, dass Erkenntnisse aus der App missbraucht werden. "Die App darf nicht den Einstieg in eine Überwachung markieren", warnte Basar. Ziel einer gesetzlichen Regelung müsse daher auch sein, schon Begehrlichkeiten in dieser Hinsicht abzuwehren. Der DAV forderte hier daher schon von Anfang an ein allgemeines Beweisverwertungsverbot.

Auch Grüne fordern gesetzliche Grundlage

Auch die Grünen bestehen darauf, den Einsatz der App per Gesetz zu regeln. "Wir hoffen, dass Millionen von Menschen die App jetzt runterladen", sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz. "Aber wir glauben, wenn man ein so relevantes Ding ausrollt, dass man dann die rechtlichen Fragen in einem Gesetz geklärt haben muss." Die Fraktion der Grünen will am Dienstagnachmittag einen entsprechenden Gesetzentwurf beschließen. In dem Gesetzesentwurf der Grünen wird die App als "ein sinnvoller Baustein zur Eindämmung und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie" bezeichnet. Freiwilligkeit verlange nicht nur Freiheit von staatlichem Zwang, sondern auch Freiheit von faktischem Zwang zur Nutzung und Offenbarung von Daten aus der App-Nutzung. "Die Freiwilligkeit würde unterlaufen, wenn etwa sozialer oder wirtschaftlicher Druck, aber auch Arbeitgeber eine Nutzung erzwingen könnten. Deshalb sollte die Freiwilligkeit der Nutzung und Offenbarung von Daten aus der Nutzung der App bestmöglich abgesichert werden." Ein spezielles Gesetz hält die Bundesregierung nicht für notwendig, da es mit der Datenschutzgrundverordnung und anderen Verbraucherschutzgesetzen schon eine ausreichende Grundlage gebe.

Datenschutzbeauftragter sieht in App selber keine Problemstellen

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber hatte den Entwicklungsprozess beratend begleitet. Er sagte, aus Sicht des Datenschutzes gebe es keinen Grund, der gegen eine Installation spreche. "Aber es gibt noch Schwachstellen. Dort müssen die verantwortlichen Behörden und Unternehmen Anpassungen vornehmen. Als zuständige Aufsichtsbehörde werden wir überprüfen, dass unsere Hinweise schnellstmöglich umgesetzt werden."

Kritik an telefonischer Hotline

Der BfDI fordert vor allem in einem Bereich Anpassungen: Der Medienbruch von der App zur telefonischen Hotline sei keine gute Lösung. Die Gründe, weshalb eine Hotline eingerichtet werde, seien zwar plausibel. Es sei aber klar, dass der Weg über die Hotline nicht mit einer vollständig pseudonymen Nutzung der App über das automatisierte Verfahren mithalten könne. Durch die eingehende Beratung habe der BfDI die unangemessene Speicherung von personenbezogenen Daten aller Anrufer der Hotline abwenden können. Das Robert-Koch-Institut und das Gesundheitsministerium müssen aber gleichwohl so schnell wie möglich die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, dass das automatisierte Verfahren von möglichst allen App-Anwendenden genutzt werden kann.

Aufsicht über Betrieb der App beim BfDI

Der BfDI übernimmt mit dem Start der App die Aufsicht über deren Betrieb. Damit stehen der Behörde alle Möglichkeiten der Datenschutz-Grundverordnung zur Verfügung: „Das bedeutet, dass der BfDI im Rahmen seiner Datenschutzaufsicht prüft und kontrolliert. Und – falls Mängel auftreten sollten – einschreiten wird.“

EU-weite Nutzung soll künftig möglich sein

Dass nationale Corona-Warn-Apps auch auf Reisen in ein anderes EU-Land funktionstüchtig bleiben, ist ein erklärtes Ziel der EU-Kommission. Damit das klappt, haben sich die EU-Mitgliedstaaten mit Unterstützung der EU-Kommission heute auf eine Reihe technischer Spezifikationen geeinigt. Damit können Informationen zwischen nationalen Kontaktnachverfolgungs-Apps mit einem dezentralen Ansatz sicher ausgetauscht werden. Derzeit gibt es neben Deutschland fünf weitere Mitgliedstaaten, die bereits eine dezentrale Warn-App auf den Weg gebracht haben. Weitere elf Mitgliedstaaten planen, diese demnächst einzuführen. Die Mitgliedstaaten wollen diese Apps nach Auskunft der Kommission nun auch für den Informationsaustausch mit anderen nationalen dezentralen Apps aktualisieren. Die Kommission unterstützt weiterhin die Bemühungen der Mitgliedstaaten, die Interoperabilität auch auf Nachverfolgungs-Apps auszuweiten, die sich auf eine zentrale Architektur stützen.

Präsident der Bundesärztekammer befürwortet Nutzung

Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt erklärte: "Die neue Corona-Warn-App der Bundesregierung ist ein geeigneter Baustein einer Strategie gegen die Corona-Epidemie in Deutschland. Sie kann dabei helfen, Infektionsketten zu erkennen und dann zu unterbrechen. Voraussetzung dafür ist, dass möglichst viele Menschen das Programm installieren und teilnehmen." Niemand sei zur Nutzung der App verpflichtet. Jeder solle sich aber gründlich mit den Möglichkeiten dieser Anwendung auseinandersetzen. Nutzer schützten mit dieser App nicht nur ihr näheres Umfeld, sie leisteten auch einen wesentlichen Beitrag zur Gesunderhaltung der Gesellschaft als Ganzes. Darüber lohne es sich, nachzudenken.

Verbraucherzentrale gibt Hinweise zur Nutzung der App

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen informiert über wichtige Aspekte bei der Nutzung der App: Während Apple-Nutzer auf ihren iPhones das Betriebssystem auf Version 13.5 aktualisieren müssten, stelle Google die nötige Basis auch für ältere Android-Versionen bereit. Sie sei in den Google-Einstellungen jedes Android-Geräts zu finden. Ohne Installation der Corona-Warn-App sei die geschaffene Schnittstelle allerdings wirkungslos. Die passende (kostenlose) App müssten also sowohl iOS- als auch Android-Nutzer aus dem passenden Store laden. Zum Senden und Empfangen anderer IDs müsse Bluetooth ständig aktiviert sein. Wer bei seinem Handy einstellen könne, ob es für andere Geräte in der Nähe sichtbar sein soll, könne das verneinen. Wenn die Corona-Warn-App aktiv sei, könnten trotzdem gekoppelte Geräte wie Lautsprecher, Kopfhörer oder Smartwatches über Bluetooth weiter genutzt werden. Abschließend warnt die Verbraucherzentrale, dass bei Android ab Version 6 (Marshmallow) die Standortfreigabe im System aktiviert sein müsse, damit Bluetooth arbeiten kann. Weil andere Apps dadurch die Position eines Nutzers erfassen könnten, sollte die Berechtigung zum Standortzugriff in den Einstellungen der einzelnen Apps zuvor deaktiviert werden.

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2020 (ergänzt durch Material der dpa).