Corona-Pandemie: BVerfG lehnt Eilantrag gegen hessisches Gottesdienstverbot ab

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 10.04.2020 einen Eilantrag eines Katholiken gegen das hessische Verbot von Gottesdiensten zur Eindämmung der Corona-Pandemie abgelehnt. Das Verbot bleibt damit vorerst weiter in Kraft. Das BVerfG sieht zwar einen überaus schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit gegeben, den Gesundheitsschutz aber überwiegen. Es betont allerdings, dass fortlaufend streng zu prüfen sei, ob das Verbot noch verhältnismäßig sei (Az.: 1 BvQ 28/20).

Antragsteller rügte Gottesdienstverbot als unverhältnismäßig

Der Antragsteller ist katholischen Glaubens und besucht regelmäßig die Heilige Messe. Aufgrund der Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung ist es ihm unmöglich, an einer Messfeier teilzunehmen. Er sieht in dem Verbot von Gottesdiensten einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Glaubensfreiheit. Deshalb begehrte er die vorläufige Außervollzugsetzung des Verbots im Wege der einsteiligen Anordnung.

BVerfG: Zwar überaus schwerwiegender Eingriff in die Glaubensfreiheit

Das BVerfG hat den Eilantrag nach Vornahme einer Folgenabwägung abgelehnt. Der Antragsteller habe unter Bezugnahme auf Aussagen des II. Vatikanischen Konzils (Dogmatische Konstitution über die Kirche, Nr. 11) und des Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 1324 bis 1327) nachvollziehbar dargelegt, dass die gemeinsame Feier der Eucharistie nach katholischer Überzeugung ein zentraler Bestandteil des Glaubens sei, deren Fehlen nicht durch - nach wie vor zulässige - alternative Formen der Glaubensbetätigung wie die Übertragung von Gottesdiensten im Internet oder das individuelle Gebet kompensiert werden könne. Vor diesem Hintergrund sei das Verbot von Zusammenkünften in Kirchen nach der Corona-Verordnung des Landes Hessen als überaus schwerwiegender Eingriff in die Glaubensfreiheit zu werten. Das gelte nach den plausiblen Angaben des Antragstellers verstärkt, soweit sich das Verbot auch auf Eucharistiefeiern während der Osterfeiertage als dem Höhepunkt des religiösen Lebens der Christen erstrecke. Damit seien die Nachteile für den Fall, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehe, eine Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, überaus schwerwiegend und nach dem Glaubensverständnis des Antragstellers auch irreversibel.

Gesundheitsschutz überwiegt aber

Bei einer antragsgemäßen vorläufigen Außervollzugsetzung des Verbots von Zusammenkünften in Kirchen versammelten sich demgegenüber voraussichtlich sehr viele Menschen in Kirchen, gerade auch über die Osterfeiertage. Damit würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach der maßgeblichen Risikoeinschätzung des Robert-Koch-Instituts vom 26.03.2020 erheblich erhöhen, obwohl dies im Falle der Erfolglosigkeit einer Verfassungsbeschwerde durch ein Gottesdienstverbot in verfassungsrechtlich zulässiger Weise hätte vermieden werden können. Diese Gefahren blieben dann auch nicht auf jene Personen beschränkt, die freiwillig an den Gottesdiensten teilgenommen hätten, sondern erstreckten sich auf einen erheblich größeren Personenkreis. Nach Auffassung des BVerfG hat der Schutz vor diesen Gefahren für Leib und Leben derzeit trotz des damit verbundenen überaus schwerwiegenden Eingriffs in die Glaubensfreiheit Vorrang vor dem Schutz dieses Grundrechts. Nach der Bewertung des Robert-Koch-Instituts komme es in dieser frühen Phase der Corona-Pandemie darauf an, die Ausbreitung der hoch infektiösen Viruserkrankung durch eine möglichst weitgehende Verhinderung von Kontakten zu verlangsamen, um ein Kollabieren des staatlichen Gesundheitssystems mit zahlreichen Todesfällen zu vermeiden.

Verhältnismäßigkeit des Gottesdienstverbotes fortlaufend zu überprüfen

Das BVerfG betont aber, dass für die Folgenabwägung auch die Befristung der Corona-Verordnung bis zum 19.04.2020 von Bedeutung sei. Damit sei sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden müsse. Bei jeder Fortschreibung der Verordnung müsse mit Blick auf den mit einem Gottesdienstverbot verbundenen überaus schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgen und untersucht werden, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Corona-Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden könne, das Verbot von Gottesdiensten unter - gegebenenfalls strengen - Auflagen und möglicherweise auch regional begrenzt zu lockern. Das BVerfG weist abschließend darauf hin, dass Gleiches auch für andere Religionsgemeinschaften gelte, die durch das Verbot von Zusammenkünften vergleichbar schwerwiegend betroffen seien, weil für sie die gemeinsame Zusammenkunft ihrer Gläubigen ebenfalls zentraler Bestandteil ihres Glaubens sei.

BVerfG, Beschluss vom 10.04.2020 - 1 BvQ 28/20

Redaktion beck-aktuell, 14. April 2020.

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