Spanien: Contergan-Opfer bleiben ohne Entschädigung

Die spanischen Opfer des Contergan-Arzneimittel-Skandals müssen ihre Hoffnung auf finanzielle Entschädigung wohl endgültig begraben. Das Verfassungsgericht in Madrid hat einen Einspruch der Opfer-Vereinigung Avite gegen ein negatives Urteil des Obersten Gerichtshofs Spaniens nicht zugelassen, wie Avite-Vizepräsident Rafael Basterrechea am 28.07.2016 mitteilte.

Mögliche Anrufung des EGMR birgt wenig Hoffnung

Man erwäge zwar noch eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, sagte Basterrechea der Nachrichtenagentur efe. Die Hoffnung ist allerdings allem Anschein nach mehr als gering. "Das ist das Ende", sagte nämlich der 51-jährige Bauingenieur – selbst ein Opfer – resignierend.

Bezirksgericht hatte 2013 zunächst Entschädigung zugesprochen

Dabei hatte ein Madrider Bezirksgericht den Betroffenen 2013 noch Hoffnung gemacht und für jeden Prozentpunkt der Behinderung damals eine Entschädigung von jeweils 20.000 Euro zugesprochen. Eine Gesamtsumme wurde nicht genannt. Richterin Gemma Fernández Díaz hatte dem Unternehmen damals "nachlässiges Verhalten" zur Last gelegt, weil es in Spanien Medikamente mit dem Contergan-Wirkstoff Thalidomid vertrieben habe, obwohl es bereits von der Schädlichkeit gewusst habe. Nach Angaben von Grünenthal-Sprecher Frank Schönrock begünstigte das Urteil in Madrid nur 17 der 180 Kläger, die Klagen der anderen seien abgewiesen worden.

Verjährungsfrist abgelaufen

Der zur Zahlung verurteilte deutsche Pharma-Konzern Grünenthal ging allerdings in die Berufung. Und sowohl das Madrider Landgericht als auch im vorigen Herbst das Oberste Gericht urteilten im Sinne des heute in Aachen ansässigen Unternehmens. Unter anderem hieß es, die Verjährungsfrist sei zum Zeitpunkt der Anklageerhebung im Jahr 2012 bereits lange abgelaufen gewesen.

Unternehmen verweist auf andere Leistungen

Grünenthal erklärt, einige spanische Betroffene hätten schon seit 1973 Leistungen von der Conterganstiftung bekommen. Zudem erhielten viele der Kläger finanzielle Unterstützung von der spanischen Regierung oder von anderen Stellen. Basterrechea, der einen verkürzten linken Arm mit deformierter Hand hat, sieht das anders: "Spanien ist das einzige Land der Welt, in dem der erwiesenermaßen Schuldige sich nicht verantworten muss."

Rund 3.000 Betroffene in Spanien

Das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan hatte Ende der 1950er Jahre einen der größten Arzneimittelskandale ausgelöst. Weltweit kamen 10.000 Kinder mit schweren körperlichen Missbildungen zur Welt, davon 5.000 in Deutschland. Nach Avite-Angaben gab es in Spanien rund 3.000 Betroffene. Schönrock erklärte, diese Zahl entbehre jeder Grundlage.

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2017 (dpa).

Mehr zum Thema