Blocks Verteidiger ist raus: Darum gehen die Gründe niemanden was an
© dpa | Christian Charisius

Hat sie ihn "gefeuert"? Hat er "hingeschmissen"? Die Publikumsmedien überschlagen sich beim Versuch, das Ende eines Verteidigermandats im Strafprozess gegen die Steakhouse-Erbin Christina Block zu begründen. Dabei wird das nicht öffentlich werden. Und zwar zu Recht, findet Michael Selk.  

Als "Prozess des Jahres" gelte er in Hamburg, schrieb die Süddeutsche Zeitung unlängst über den bei der 32. Strafkammer verhandelten Entführungsfall um die Kinder der jetzt Angeklagten. Nun muss man mit Superlativen stets vorsichtig sein und die Hamburger Strafjustiz muss sich in diesem Jahr ganz sicher auch mit anderen bedeutsamen Fällen beschäftigen. Und auch wenn Mütter wohl eher selten die eigenen Kinder entführen, sind Trennungen schlimmerer Art doch wiederum nicht so selten, dass über eine Kindesentführung üblicherweise in den Medien berichtet würden. Hier ist es nun anders.

Auf der Anklagebank sitzen Prominente, die Erbin einer Steakhouse-Dynastie und ein ehemaliger Sportmoderator. Glaubt man den Medien, dann sind es aber auch die Anwälte, die das Rampenlicht suchen“ (wiederum die SZ vom 6.August 2025). Das öffentliche Interesse an der Berichterstattung scheint groß – oder wird vielleicht auch erst durch die Medien groß gemacht. Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass es vielleicht auch die Medien selbst sind, die das öffentliche Interesse an diesem Verfahren befeuern.

Und nun auch noch ein weiterer "Höhepunkt": Die Angeklagte und ein Verteidiger beenden das Mandat. Ein Vorgang, wie er in zahllosen Strafprozessen immer wieder passiert und der sonst niemanden kümmert. Hier ist es nun anders. Zwischen "Christina Block feuert ihren Anwalt" und "Anwalt von Steakhouse-Erbin Block schmeißt hin" kann man in den Überschriften der Blätter gerade so ziemlich alles lesen. Aber hat nun der Anwaltskollege das Mandat gekündigt oder hat die Mandantin es getan?

Es geht niemanden etwas an

Und jetzt kommt’s: Das geht niemanden etwas an. Der Kollege wird - da auch dies von der Verschwiegenheitspflicht erfasst ist - nicht erzählen, ob nun er oder seine Mandantin das Mandat beendet hat. Zusammenreimen kann man sich dieser Tage viel, aber Valides kommt dabei nicht rum.

Natürlich kann die Mandantin ihre Version der Presse erzählen ("Zwei Welten“) - das darf sie ja. Aber ob das stimmt, weiß man ja auch wieder nicht wirklich. Übrigens: Das Mandat kann auch einvernehmlich beendet worden sein. Möglich ist alles.

Nur wenn es um die Wahrnehmung der eigenen berechtigten Interessen ginge, könnte der Kollege sich "outen" und vielleicht auch öffentlich mitteilen, ob nun er oder die Mandantin das Mandat beendet hat. Ob es für solche Interessen schon reicht, wenn man eine vielleicht falsche Darstellung der Mandantin korrigieren will, ist fraglich. Generell hat die Verschwiegenheitspflicht Vorrang.

Es gilt der berufsrechtliche Grundsatz: Man teilt Anlass und Grund einer Mandatsbeendigung generell niemandem mit. Wird mir im laufenden Verfahren (auch im Zivilprozess) ein Mandat entzogen, lautet mein Schriftsatz an das Gericht "in pp wird mitgeteilt, dass das Mandat beendet ist.“ Hüten sollte man sich vor – immer wieder angetroffenen – Formulierungen wie "in pp wird mitgeteilt, dass mir das Mandat gekündigt worden ist" oder "dass ich das Mandat niedergelegt habe." All das geht niemanden etwas an. Erst recht nicht die Öffentlichkeit.

Viele Gründe für gestörtes Vertrauen

Selbst dann, wenn sich doch ein Kollege in vermeintlicher Wahrnehmung berechtigter Interessen dazu äußert, ist dies nur seine Darstellung – die Mandantin mag es anders wahrgenommen haben. Es tut auch nichts zur Sache: Es gibt viele Gründe, warum das generell notwendige Vertrauensverhältnis zwischen der Angeklagten und ihrem Verteidiger nicht mehr bestehen mag. Man liest und hört, dass die Angeklagte ihre ursprüngliche Version des Geschehens, ihre (mittlerweile verstorbene) Mutter habe den Sicherheitsdienst zur Entführung angestiftet, aufgegeben hat. Es gibt, so hört und liest man weiter, eine neue Einlassung (der Sicherheitsdienst habe die Kinder aufgrund eigener Entscheidung entführt).

Unterschiedliches Einlassungsverhalten einer Angeklagten begünstigt ihre strafprozessuale Position sicherlich nicht unbedingt. Ob das zur Reduzierung der Verteidigerzahl beigetragen haben kann, verursacht durch wen auch immer, das kann man aber nur raten. Man weiß eben nichts wirklich. Und so gilt bei der Lektüre von Publikumsmedien, die sich mit Sensationsmeldungen geradezu überbieten, die übliche Warnung.

Und das ist auch gut so

Ob der Kollege nun tatsächlich "raus“ ist, hat übrigens die Kammer des LG Hamburg zu entscheiden. Er hat beantragt, ihn als bestellten notwendiger Verteidiger zu entpflichten. Gefährdet ist das Verfahren wohl nicht, der bisherige Wahlverteidiger hat nach eigenen öffentlichen Angaben zugestimmt, in die Position des Pflichtverteidigers zu wechseln. Käme das Landgericht dem Antrag auf Entpflichtung nach, gäbe es im Verfahren nur noch einen Verteidiger. Das birgt angesichts der angesetzten Dauer des Verfahrens naturgemäß erhebliche Risiken.

In der Sache habe ich Respekt vor allen, die an dem Verfahren beteiligt sind. Solche langen und pressewirksamen Strafprozesse sind hochgradig anstrengend. Vor dem Gericht, das auf tausend Kleinigkeiten achten muss (offenbar wurde während der Hauptverhandlung aus dem vollen Saal heraus fotografiert), vor der Vorsitzenden, die auf all diese Details über einen sehr langen Zeitraum und immer wieder zu achten hat. Vor den anwaltlichen Kolleginnen und Kollegen, die den Regeln des Gerichts folgen müssen, beginnend mit der Tages-,  Wochen- und Jahresplanung. Und die die richtige Balance finden müssen zwischen der gebotenen anwaltlichen Vertraulichkeit und einer möglichen Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Mandantschaft. Viele Medien würden sich mehr Fotos, Interviews und Geschichten wünschen, die sich verkaufen lassen.

Wohin all das führen kann, zeigt auch die amerikanische Prozesswelt. Dort ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte immer mehr aufgegeben worden. Man denke nur an den Zivilprozess zwischen Johnny Depp und Amber Heard, den man sich immer wieder auf Netflix ansehen kann. Wenn man sich so etwas wünschte, dann wollte man einen anderen Strafprozess. Heute aber gilt: Im Strafverfahren gegen Frau Block weiß man eben nichts. Und das ist auch gut so.

Der Autor Dr. Michael Selk ist Fachanwalt für Strafrecht, Miet- und WEG-Recht sowie für Bau- und Architektenrecht. Er ist Partner bei Weiland Rechtsanwälte in Hamburg und Richter am Anwaltsgerichtshof der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

Redaktion beck-aktuell, Dr. Michael Selk, 7. August 2025.

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