Ceta-Abkommen: Linke werfen Bundestag in Karlsruhe Versäumnisse vor

Die Linksfraktion hat die Rolle des Bundestags beim Start des umstrittenen europäisch-kanadischen Handelsabkommens Ceta vor dem Bundesverfassungsgericht kritisiert. Inzwischen sei Ceta seit drei Jahren in großen Teilen vorläufig in Anwendung, obwohl dazu kein Gesetz beschlossen wurde, sagte Fraktionschefin Amira Mohamed Ali in der Verhandlung am 13.10.2020. Das reiche nicht aus für ein Abkommen, von dem erhebliche negative Auswirkungen zu erwarten seien.

Nur Stellungnahme zu Ceta beschlossen

Auf Antrag von CDU/CSU und SPD hatte der Bundestag im September 2016 lediglich eine Stellungnahme zu Ceta beschlossen. Die Linken sprechen von einem Freibrief für die Bundesregierung und haben Organklage gegen den Bundestag eingereicht. Dieser habe bei der europäischen Integration Mitwirkungspflichten, denen er nicht nachgekommen sei.

CDU-Abgeordneter: Gesetz war nicht erforderlich

Nach Überzeugung des CDU-Abgeordneten Heribert Hirte hat sich der Bundestag nichts vorzuwerfen. "Wir haben eine politische Stellungnahme abgegeben. Und diese politische Stellungnahme war aus unserer Sicht völlig in Ordnung", sagte er vor Verhandlungsbeginn. Ein Gesetz sei zum damaligen Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen.

Bundesregierung hebt Bedeutung des Exports hervor

Auch die Bundesregierung betonte, dass Bundestag und Bundesrat von Anfang an umfassend unterrichtet und beteiligt worden seien. "Die EU und Deutschland brauchen offene Märkte, um Beschäftigung und wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Elisabeth Winkelmeier-Becker. In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab, und dank Ceta seien die Exporte nach Kanada gestiegen.

BVerfG zweifelt an Zulässigkeit der Klage

Möglicherweise werden diese inhaltlichen Fragen aber gar nicht mehr entscheidend sein. Denn die Richter des Zweiten Senats unter Vizegerichtspräsidentin Doris König haben Zweifel, ob die Klage der Linken überhaupt zulässig ist, wie schnell klar wurde. Im Organstreitverfahren entscheidet Karlsruhe Konflikte zwischen obersten Bundesorganen über ihre Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz. Auch einzelne Bundestagsabgeordnete oder Fraktionen können klagen. Hier aber mache die Linksfraktion geltend, dass der Bundestag Rechte des Bundestags verletzt habe, brachte es Richter Peter Müller auf den Punkt. König sagte, die Mehrheit sei nun einmal zu einer gegenteiligen Rechtsauffassung gekommen.

Ceta-Abkommen sehr umstritten

Ein Erfolg ist damit zumindest fraglich. Allerdings sind in Karlsruhe noch etliche Verfassungsbeschwerden gegen Ceta anhängig, auch eine zweite Organklage der Linksfraktion gegen die Bundesregierung. Ein Bündnis der Verbraucherorganisation "Foodwatch" und der Vereine "Campact" und "Mehr Demokratie" hatte allein mehr als 125.000 Mitkläger mobilisiert. 2016 stand sogar der Start des Abkommens auf der Kippe.

Ceta-Stopp weiter möglich

Im Eilverfahren erlaubten die Richter damals die deutsche Beteiligung. Die Bundesregierung musste aber unter anderem sicherstellen, dass Deutschland im Zweifel aus dem Abkommen wieder herauskommt. Ein Stopp von Ceta ist also immer noch möglich.

Angst um Umwelt- und Sozialstandards

Am 13.10.2020 ging es ausschließlich um die Rolle des Bundestags. Dieser hat Mitwirkungsrechte, wenn zum Beispiel Kompetenzen von nationalen auf EU-Institutionen übertragen werden. Eine Stellungnahme des Bundestags muss die Bundesregierung ihren Verhandlungen auf europäischer Ebene zugrunde legen. Die Stellungnahme zu Ceta nannte der Prozessbevollmächtigte der Linken, Andreas Fischer-Lescano, "windelweich-vage". Dabei gehe es um wichtige Fragen, sagte Mohamed Ali. Das Risiko sei groß, dass Umwelt- und Sozialstandards als Handelshemmnisse beseitigt würden.

Ceta noch nicht vollständig in Kraft

Ceta ist seit dem 21.09.2017 vorläufig in Kraft, allerdings nur in den Bereichen in unstreitiger EU-Zuständigkeit. Damit das Abkommen vollständig in Kraft treten kann, muss es von den Parlamenten aller EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Das ist erst zum Teil passiert. In Deutschland kann Ceta erst ratifiziert werden, wenn das BVerfG über die Klagen entschieden hat.

Redaktion beck-aktuell, 14. Oktober 2020 (dpa).