Experten uneins über Sexkauf-Verbot

In Staaten wie Schweden und Frankreich werden Freier bestraft, Bordelle sind verboten. Die Union schlägt das Modell, bei dem Prostituierte keine Strafe zu befürchten haben, auch für Deutschland vor. Sie hat damit eine Debatte angestoßen, die viel Zündstoff birgt.

Das zeigen schriftliche Stellungnahmen, die der Bundestag im Voraus einer öffentlichen Anhörung im Familienausschuss am Montag veröffentlicht hat.

Die Befürworter des sogenannten nordischen Modells, das die Bestrafung von Freiern und die Schließung von Bordellen vorsieht, sehen darin das wirksamste Mittel gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Die Gegner rechnen bei einer Anwendung dieses Modells in Deutschland damit, dass vermehrt Prostituierte in die Illegalität getrieben werden. Nach dem zuerst in Schweden eingeführten Modell ist der Kauf sexueller Dienstleistungen illegal, der Verkauf von Sex bleibt dagegen straffrei. Prostituierte erhalten Hilfe, um sich eine neue Existenz aufzubauen.

Dieses Modell wird seit 2016 auch in Frankreich praktiziert. Claire Quidet von der Nid-Bewegung, die sich in Frankreich um Prostituierte kümmert, hält in ihrer Stellungnahme für den Ausschuss fest: "Unserem Verein ist es durchaus bewusst, dass einige Menschen ihr Recht einfordern, in der Prostitution tätig sein zu dürfen." Man müsse sich aber die Frage stellen, ob man wirklich in einer Gesellschaft leben wolle, in der "weiterhin die Sexualität von Männern den Rahmen vorgibt".

Prostituiertenschutzgesetz unzureichend?

Die ebenfalls als Sachverständige eingeladene Psychotherapeutin Brigitte Schmid-Hagenmeyer verweist auf das enorme Ausmaß der Gewalt in der Prostitution. Die Wahrscheinlichkeit, eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, sei für Prostituierte mehr als doppelt so hoch wie für Kriegsopfer. Der Polizeipräsident von Duisburg, Alexander Dierselhuis, geht davon aus, "dass die Bekämpfung der Rotlicht-Kriminalität mit einem Sexkauf-Verbot deutlich erfolgreicher gestaltet werden dürfte als dies bisher der Fall ist".

Der Verein Neustart, der Frauen in der Prostitution in Berlin Unterstützung anbietet, spricht sich ebenso für das "nordische Modell" aus. Er bilanziert, das 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz habe das Ziel, Frauen vor Ausbeutung, Gewalt und Zuhälterei zu schützen, verfehlt.

Gegen den Antrag der Union positionieren sich der Deutsche Städtetag und die Gewerkschaft der Polizei. Die Berliner Anwältin Margarete Gräfin von Galen hält ein Sexkauf-Verbot für verfassungswidrig. Sie schreibt: "Wenn es Missstände gibt, müssen die Länder mehr Mittel für den Vollzug der bestehenden Gesetze bereitstellen."

Redaktion beck-aktuell, bw, 23. September 2024 (dpa).