Castor-Behälter aus britischem Sellafield dürfen in Biblis eingelagert werden

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat eine Genehmigung zur Aufbewahrung von Castor-Behältern aus dem britischen Sellafield im Zwischenlager Biblis nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Richter wiesen einen Eilantrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) ab. Man teile die Einschätzung der Bundesrepublik, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einer zeitnahen Abnahme der wiederaufbereiteten Kernbrennstoffe bestehe.

BUND geht gegen erweiterte Genehmigungen für Biblis vor

Die Bundesrepublik Deutschland hatte die Genehmigungen für Biblis erweitert, um auch verfestigte Kernbrennstoffe in Castor-Behältern dort lagern zu können, die in diesem Jahr aus England kommen könnten. Deutschland erfüllt damit eine Verpflichtung, seinen Atommüll zurückzunehmen. Der BUND ging gegen die geänderte Genehmigung vor. Er argumentierte unter anderem, dass ein kompletter Neuantrag auf Einlagerung mit Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich gewesen wäre. Zudem sehen die Umweltschützer Sicherheitsrisiken.

VGH sieht überwiegendes öffentliches Interesse an Atommüll-Einlagerung

Aus Sicht des Gerichtshofs überwiegt aber das öffentliche Interesse, die Änderung sofort wirksam werden zu lassen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei die hier umstrittene 9. Änderungsgenehmigung insbesondere nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt nicht bzw. mit nur unzureichender Prüfungsdichte durchgeführt worden oder eine zwingend notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung unterblieben sei. Die Bundesrepublik sei zutreffend davon ausgegangen, dass die mit der 9. Änderungsgenehmigung genehmigten Transporte und Lagerungen keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen waren, sondern dass lediglich eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen war. Die 9. Änderungsgenehmigung betreffe auch kein Neuvorhaben im Sinn des Umweltverträglichkeitsrechts. Die Frage, ob diese sachlich rechtmäßig sei, müsse in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. 

Durchführung von Castor-Transporten wegen Corona ungewiss

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) per Brief gebeten, den anstehenden Transport erneut zu verschieben. Zur Begründung nannte er unter anderem Sicherheitsbedenken wegen zu erwartender Proteste gegen den Transport. Die Corona-Pandemie erschwere eine Sicherung des Transports, weil ein Hygienekonzept eingehalten werden müsse. Eine Sprecherin der niedersächsischen Landesregierung ergänzte am 21.10.2020, es gebe ein “großes Fragezeichen“, ob der Transport angesichts der Corona-Ausbreitung jetzt stattfinden müsse. “Man kann nur hoffen, dass da vielleicht in Berlin noch Einsicht einkehrt.“ Währenddessen sieht sich Hessen für die Rückholung des Atommülls gerüstet. In Hessen gebe es keine Bitte um eine erneute Verschiebung des Transports, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Wiesbaden am Mittwoch. “Ob er stattfindet oder nicht, entscheidet das Bundesinnenministerium.“

VGH Kassel, Entscheidung vom 21.10.2020 - 6 B 2381/20

Redaktion beck-aktuell, 22. Oktober 2020.