Wohnungsbordell in Mischgebiet nicht unbedingt unzulässig

Ein sogenanntes Wohnungsbordell ist in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebiet bauplanungsrechtlich nicht von vorneherein unzulässig. Das Bundesverwaltungsgericht stellt klar, dass das typische Störpotenzial eines bordellartigen Betriebes einem auf Diskretion angelegten, nach 20.00 Uhr geschlossenen Wohnungsbordell nicht zukomme. Es sei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

Genehmigung für Wohnungsbordell in Mischgebiet begehrt

Die Klägerin ist Mieterin dreier miteinander verbundener Wohnungen mit insgesamt 428 Quadratmetern im zweiten Obergeschoss eines siebenstöckigen Gebäudes in Berlin. Dort betreibt sie seit 1996 eine prostitutive Einrichtung (sogenanntes Wohnungsbordell). Das Gebäude liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der ein Mischgebiet ausweist. Die Klägerin begehrte eine Baugenehmigung für die Änderung einer Wohnnutzung in eine gewerbliche Nutzung. Der Bauantrag wurde abgelehnt.

OVG: "Milieutypischen Unruhe" steht Genehmigung entgegen

Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg, in der Berufungsinstanz aber nicht. Das Vorhaben der Klägerin sei bauplanungsrechtlich unzulässig, meinte das OVG. Denn ein bordellartiger Betrieb, wie ihn die Klägerin führe, sei mit der im Mischgebiet ebenfalls zulässigen Wohnnutzung wegen der damit bei typisierender Betrachtung verbundenen "milieutypischen Unruhe" nicht vereinbar. Daran ändere auch das Prostituiertenschutzgesetz von 2016 nichts. Denn eine atypische Fallgestaltung, die eine Einzelfallbetrachtung erfordere, liege nicht vor.

BVerwG kippt OVG-Entscheidung

Dem ist das BVerwG nicht gefolgt. Es hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OVG zurückverwiesen. Das OVG habe das der Typisierung zugrunde liegende Störpotenzial fehlerhaft bestimmt, weil es den Begriff der "milieubedingten Unruhe" zu weit verstanden habe. Die Bundesrichter stellen klar, dass Begleitumständen des Prostitutionsgewerbes, die keine städtebauliche Relevanz haben, mit Auflagen und ordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen sei.

Wohnungsbordell fehlt typisches Störpotenzial

Die Unverträglichkeit bordellartiger Betriebe und Wohnnutzung beruhe auf der Annahme, dass die Betriebe nach außen als solche in Erscheinung treten und dies gerade in den Abend- und Nachtstunden zu Störungen insbesondere durch den Zu- und Abgangsverkehr führe. Dieses typische Störpotenzial komme einem auf Diskretion angelegten, nach 20.00 Uhr geschlossenen sogenannten Wohnungsbordell nicht zu, so das BVerwG. Denn es unterscheide sich für den Betrachter nicht erkennbar von der sonst zulässigen Nutzung und ziehe daher insbesondere keine Laufkundschaft an.

Einzelfallprüfung angesagt

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Wohnungsbordells sei daher mittels Einzelfallbetrachtung zu prüfen. Die dafür erforderlichen Tatsachenfeststellungen habe das OVG nicht getroffen. Dies führe zur Zurückverweisung, so das BVerwG.

BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 - 4 C 5.20

Redaktion beck-aktuell, 10. November 2021.

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