Vorerst kein Bau der A 20 zwischen Westerstede und Jaderberg

Der Neubau des ersten Abschnitts der Bundesautobahn A 20 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg kann vorerst nicht beginnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat den zugrundeliegenden Planfeststellungsbeschluss auf die Klage eines Umweltverbandes für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Derzeit könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Vorhaben zu keiner Beeinträchtigung des nahegelegenen Schutzgebiets "Garnholt" führt, so die Begründung.

Neubau als Vorhaben des "Vordringlichen Bedarfs" eingestuft

Der planfestgestellte Abschnitt, der – anders als möglicherweise andere Abschnitte der A 20 – keine Moore betrifft, ist Teil der in insgesamt sieben Abschnitte unterteilten sogenannte Küstenautobahn zwischen Westerstede und Hamburg. Die A 20, die bisher von der deutsch-polnischen Grenze bis östlich von Bad Segeberg verläuft, soll nach ihrer Gesamtfertigstellung zusammen mit der A 28 eine Ost-West-Achse von der deutsch-niederländischen bis zur deutsch-polnischen Grenze bilden. Sie ist Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes und im geltenden Bundesverkehrswegeplan als Vorhaben des "Vordringlichen Bedarfs" eingestuft.

Zunahme der Stickstoffbelastung möglicherweise zu hoch

Diese gesetzliche Bedarfsfeststellung ist laut BVerwG für das Gericht verbindlich. Die gerichtliche Prüfung sei insoweit auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die angestrebten Planungsziele in einem Maße nicht oder nicht mehr erreicht werden können, dass hieraus eine Verfassungswidrigkeit der Bedarfsfeststellung folgt. Fehler seien dem Vorhabenträger und der Planfeststellungsbehörde jedoch bei der Prüfung unterlaufen, ob die vorhabenbedingte Zunahme der Stickstoffbelastung die Schwelle von 0,3 kg pro Hektar und Jahr überschreitet.

Stickstoffwert fehlerhaft berechnet

Schon der zunächst ermittelte Wert von 0,326 kg pro Hektar und Jahr beruhe auf einem Eingabefehler und sei im Laufe des gerichtlichen Verfahrens auf 0,346 kg korrigiert worden. Auch diese Neuberechnung sei aber jedenfalls insoweit fehlerhaft, als sie die Verringerung von Stickstoffeinträgen durch den geplanten Wegfall eines Rastplatzes der A 28 in Höhe des Schutzgebietes überschätze, so das BVerwG. Da bereits ein Anstieg um lediglich 4 g pro Hektar und Jahr zu einem Überschreiten des Schwellenwertes führe, könne eine Beeinträchtigung des Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebietes nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Auf weitere Kritikpunkte, etwa die Frage der korrekten Depositionsgeschwindigkeit, komme es angesichts dessen nicht mehr entscheidungserheblich an.

Weitergehende Einwände des Umweltverbandes greifen nicht

Weitergehende Einwände des Umweltverbandes genügten laut BVerwG teilweise bereits nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Klagebegründung und hatten mithin keinen Erfolg. Darüber hinaus begegne die Durchführung artenschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen mittels einer landschaftlichen Umgestaltung des ehemaligen Standortübungsplatzes Friedrichsfeld keinen Bedenken. Das Klimaschutzgesetz sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten gewesen und habe daher nicht berücksichtigt werden müssen. Auch auf den späteren Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses komme es nicht an, da dieser im Wesentlichen die Straßenentwässerung betreffe. Bei einer solchen partiellen Änderung bleibe entsprechend langjähriger Rechtsprechung der Planungssenate der Zeitpunkt der ursprünglichen Planfeststellung weiterhin maßgeblich. Dafür, dass sich wegen der besonderen Bedeutung und der Dringlichkeit des Klimaschutzes ausnahmsweise etwas anderes ergebe, fehle es an Anhaltspunkten. Weder aus Art. 20a GG, der den Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichte, noch aus dem Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 ließen sich Vorgaben für einzelne Planfeststellungsverfahren herleiten.

Enteignungsbetroffener Landwirt nicht in Existenz bedroht

Die weitere Klage eines enteignungsbetroffenen Landwirts hat das BVerwG abgewiesen. Zwar gehe der Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht davon aus, die Übereignung oder langfristige Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen, die vom Kläger bereits auf der Grundlage kurzfristiger Pachtverträge bewirtschaftet würden, könne als Ausgleich von Flächenverlusten angerechnet werden. Jedoch habe der Beklagte dem Kläger während des gerichtlichen Verfahrens weitere Flächen verbindlich zugesagt. Eine Existenzgefährdung werde hierdurch ausgeschlossen.

BVerwG, Urteil vom 07.07.2022 - 9 A 1.21

Redaktion beck-aktuell, 8. Juli 2022.