Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach DDR-Zwangsadoption

Wird der Vortrag eines Klägers, durch eine politisch motivierte Zwangsadoption in der ehemaligen DDR gesundheitlich geschädigt worden zu sein, bei der Entscheidungsfindung offenbar nicht berücksichtigt, liegt darin ein Gehörsverstoß. Laut Bundesverwaltungsgericht ist ferner zu klären, ob die Regelungen des Einigungsvertrags zu Adoptionen eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung betroffener Kinder ausschließen.

Mann verlangt Rehabilitierung wegen Zwangsadoption

Ein Mann, der als 10-jähriges Kind in der ehemaligen DDR zwangsadoptiert wurde, verlangte vom Landesverwaltungsamt, verwaltungsrechtlich rehabilitiert zu werden. Nachdem seine Mutter im Juli 1976 verstorben war, versuchte ihr Ex-Mann vergeblich, die Erziehungsrechte für den gemeinsamen Sohn zu erhalten. Er beabsichtigte, mit ihm zusammen in die Bundesrepublik auszureisen. Sein Antrag scheiterte beim zuständigen Vormundschaftsrat, da er sein Kind nicht ordnungsgemäß erziehen könne. Nach kurzem Aufenthalt im Gefängnis, wo er eine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe unter anderem wegen "staatsfeindlicher Hetze" aufgrund eines Urteils des Bezirksgerichts Gera vom 16.08.1977 angetreten hatte, durfte er Anfang 1978 alleine ausreisen. Der Junge wohnte bis März 1984 zunächst bei einer Pflegefamilie, die ihn 1982 adoptiert hatte. Die Zustimmung seines Vaters wurde dabei vom Kreisgericht Dessau ersetzt. Bis November 1984 war er in einem Kinderheim untergebracht, von September 1986 bis August 1988 und Mai 1989 bis September 1990 in verschiedenen Spezialheimen und Jugendwerkhöfen. 2014 hob das LG Gera die Verurteilung seines Vaters auf und erklärte seine Heimerziehung in den Jahren 1976/77 für rechtsstaatswidrig. 2017 rehabilitierte das OLG Naumburg ihn auch für seine später zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung durch die Heimunterbringung. Die beklagte Behörde lehnte allerdings die beantragte Rehabilitierung für die Adoption ab, da die Verfahren der (Zwangs-)Adoption nicht der verwaltungsgerichtlichen Rehabilitation unterlägen. Adoptionsentscheidungen seien keine nach § 1 VwRehaG zu prüfenden Entscheidungen. Das VG Halle sprach ihm (auf den Hilfsantrag) lediglich einen Rehabilitierungsanspruch nach § 1a VwRehaG zu, der das Fehlen von Gesundheitsschäden voraussetzt. Die Revision ließ es nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Vortrag erkennbar nicht berücksichtigt

Das BVerwG ließ die Revision zu. Das VG Halle habe den Vortrag des Klägers, durch die Adoption gesundheitlich geschädigt worden zu sein, bei der Entscheidungsfindung erkennbar nicht berücksichtigt, monierten die Leipziger Richter. Dies verletzte ihn in seinem Anspruch auch Gewährleistung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO. Der Mann hatte im Klageverfahren vorgetragen, seine familiäre Entwurzelung, Vernachlässigung und Misshandlung in der Adoptivfamilie, insbesondere durch den Adoptivvater, hätten zu erheblichen, durch die beigefügten medizinischen Unterlagen belegten gesundheitlichen Schädigungen geführt, die heute noch schwer und unzumutbar fortwirkten. Darauf seien die Entscheidungsgründe des Urteils nicht eingegangen, obwohl der Beklagte die Misshandlungen bestätigte. Vielmehr habe das VG eine Rehabilitierung nach § 1 VwRehaG allein mangels gesundheitlicher Schädigung des Klägers durch die Adoption verneint - ohne jede Begründung.

Grundsätzliche Bedeutung

Eine grundsätzliche Bedeutung sahen die Leipziger Richter in der Frage, ob mit Blick auf den Einigungsvertrag und die daraus folgende Spezialregelung des Art. 234 § 13 EGBGB die Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG auf politisch motivierte Zwangsadoptionen nach dem Recht der ehemaligen DDR auch zugunsten der von solchen Adoptionen betroffenen Kinder ausgeschlossen sei. Müsse dies bejaht werden, so sei eine entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 4 Satz 2 oder Abs. 5 VwRehaG zu prüfen.

BVerwG, Beschluss vom 30.06.2022 - 8 B 47.21

Redaktion beck-aktuell, 27. Juli 2022.