Vertrauensschutz trotz Trägerwechsel bei spät erhobenen Anschlussbeiträgen

Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Streit um hypothetisch festsetzungsverjährte Anschlussbeiträge entschieden. Ein Wasserverband darf demnach keine von einem Vorgänger nicht erhobenen Anschlussbeiträge festsetzen, wenn es auf die Forderung zwar bereits gezahlte, nicht aber hypothetisch verjährte Beiträge anrechnet. Dies widerspreche dem Gleichheitssatz. Nun muss die Vorinstanz noch einmal entscheiden.

Hypothetische Festsetzungsverjährung bei Abwasserabgaben

Die Klägerin des Verfahrens 9 C 9.20 ist Eigentümerin eines bereits 1990 an die damalige Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Grundstücks in Seddiner See (Brandenburg). Anfang der 1990er Jahre ersetzten die Gemeinde Seddiner See und die Vorgängergemeinden der heutigen Stadt Beelitz ihre Kläranlagen durch eine gemeinsam betriebene zentrale Kläranlage. Die erste Beitragssatzung der Gemeinde Seddiner See wurde 1994 bekannt gemacht. Beiträge wurden für das Grundstück der Klägerin nicht erhoben. Anfang 2006 gründeten die Gemeinde Seddiner See und die Stadt Beelitz den Wasser- und Abwasserzweckverband "Nieplitz", der die Schmutzwasserbeseitigungsanlage im Wesentlichen unverändert fortführte.

Streit um hypothetisch festsetzungsverjährte Anschlussbeiträge

2013 setzte der beklagte Wasserverband für das Grundstück der Klägerin einen Anschlussbeitrag fest. Das Verwaltungsgericht hob den Beitragsbescheid mit der Begründung auf, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, dass der Beklagte gezahlte, nicht aber - wie im Fall der Klägerin - hypothetisch festsetzungsverjährte Herstellungsbeiträge für die früheren gemeindlichen Einrichtungen auf den Anschlussbeitrag anrechne. Im Berufungsverfahren änderte das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge weder aus Gleichheits- noch aus Vertrauensschutzgründen anzurechnen seien.

BVerwG betont Vertrauensschutz: Beitragserhebung war rechtswidrig

Das BVerwG hat die Berufungsentscheidung wegen einer Verletzung des bundesverfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Gleichheitssatzes aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gelte auch bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers. Eine Beitragserhebung durch den neuen Einrichtungsträger sei mit diesem Grundsatz nicht vereinbar, soweit sie sich auf Herstellungsaufwand beziehe, für den der Beitragspflichtige durch den früheren Einrichtungsträger nach der in Brandenburg bis zum 31.01.2004 geltenden Rechtslage wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr zu Beiträgen hätte herangezogen werden können.

Verstoß gegen Gleichheitssatz

Soweit der Beklagte gezahlte, nicht aber hypothetisch festsetzungsverjährte Beiträge für die frühere Einrichtung angerechnet habe, verstoße dies außerdem gegen den Gleichheitssatz. Ein die Ungleichbehandlung rechtfertigender sachlicher Grund liege weder in der Vermeidung einer Doppelbelastung noch in der Wahrung der Beitragsgerechtigkeit oder des Haushaltsinteresses des früheren oder jetzigen Einrichtungsträgers. Auch in einem zweiten Verfahren (Az.: 9 C 10.20) aus Sachsen-Anhalt, bei dem es um eine "normale" und nicht um eine hypothetische Festsetzungsverjährung geht, hat das BVerwG die Berufungsentscheidung aus den vorgenannten Gründen aufgehoben und die Sache an das OVG zurückverwiesen.

BVerwG, Urteil vom 06.10.2021 - 9 C 9.20

Redaktion beck-aktuell, 7. Oktober 2021.