BVerwG zur Haftung aus Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für Lebensunterhalt von Bürgerkriegsflüchtlingen

§ 68 AufenthG (Aufenthaltsgesetz) ermöglicht die Einreise von Ausländern und damit auch von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen, indem sich ein Dritter verpflichtet, die Kosten des Lebensunterhalts zu tragen. In diesem Zusammenhang hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der "Aufenthaltszweck“ im Sinne der Verpflichtungserklärung jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen umfasst. Somit hafte der Verpflichtungsgeber auch nach der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für die Lebensunterhaltskosten von Bürgerkriegsflüchtlingen (Urteil vom 26.01.2017, Az.: 1 C 10.16).

Onkel gab Verpflichtungserklärung für Nichte und ihre Familie

Die Kläger sind die Erben eines in Deutschland lebenden syrischen Staatsangehörigen, der sich durch Unterzeichnung formularmäßiger Erklärungen verpflichtet hatte, für den Lebensunterhalt seiner Nichte, ihres Ehemannes und deren Kindes "bis zur Beendigung des Aufenthalts oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" aufzukommen. Dies sollte deren Einreise ermöglichen. Die Verwandten reisten im Juni 2014 mit einem Visum aus Syrien in das Bundesgebiet ein und erhielten Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Später stellten sie Asylanträge.

Jobcenter fordert Geld zurück

Nach der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft forderte das beklagte Jobcenter mit Leistungsbescheid vom September 2015 von dem Verpflichtungsgeber die Erstattung von rund 8.830 Euro, die es für seine drei Verwandten im Zeitraum vom 11.02.2015 bis 31.08.2015 nach dem SGB II aufgewendet hatte. Das VG hatte die gegen den Erstattungsbescheid erhobene Klage abgewiesen (vgl. BeckRS 2016, 43761). Auch die hiergegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg. Das Erste Revisionssenat stützte seine Entscheidung darauf, dass die nach der Flüchtlingsanerkennung erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht zu einem "anderen Aufenthaltszweck" erteilt worden seien.

BVerwG: Schutzzweck bleibt gleich

Dies ergebe sich zwar nicht schon aus § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, so das BVerwG. Diese Vorschrift schließe zwar seit August 2016 ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung in diesen Fällen ausdrücklich aus, sei aber auf den Streitfall noch nicht anwendbar. "Aufenthaltszweck" im Sinne der abgegebenen Verpflichtungserklärung sei indes in einem weiteren Sinne zu verstehen und nicht notwendig auf den jeweiligen "Aufenthaltstitel" beschränkt. Die durch die Verpflichtungserklärung ermöglichte Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG habe nämlich mit dem Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien ebenso humanitären Schutzzwecken gedient wie die der Gewährung internationalen Schutzes durch dieFlüchtlingsanerkennung nachfolgende Aufenthaltserlaubnis.

Trotz Unterschieden erfüllen einzelne Aufenthaltstitel den gleichen Hauptzweck

Im Rahmen der Verpflichtungserklärung sei für die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem "Aufenthaltszweck" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels II des Aufenthaltsgesetzes auszugehen, so die Leipziger Bundesrichter. "Aufenthaltszweck" im Sinne der Verpflichtungserklärung umfasse daher jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie - unter dieser Überschrift - vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes zusammengefasst sind. Die Unterschiede der einzelnen Aufenthaltserlaubnisse bei den Gewährungsvoraussetzungen und den Rechtsfolgen veränderten hier qualitativ nicht den gemeinsamen, übergreifenden Aufenthaltszweck.

Auch Unionsrecht steht Erstattungsforderung nicht entgegen

Auch sonst sah das BVerwG keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass in der Erklärung ein hiervon abweichender, engerer Zweckbegriff verwendet worden wäre. Unionsrecht stehe der Inanspruchnahme des Verpflichtungsgebers nicht grundsätzlich entgegen und die Erstattungsforderung sei im konkreten Fall auch nicht unverhältnismäßig, befand das BVerwG abschließend.

BVerwG, Urteil vom 26.01.2017 - 1 C 10.16

Redaktion beck-aktuell, 31. Januar 2017.

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