Europawahlplakate sollten entfernt werden
Ein Kreisverband der NPD wehrte sich gegen eine kommunale Ordnungsverfügung, nach der er seine Plakate im Europawahlkampf 2019 entfernen oder unkenntlich machen sollte. Im April 2019 hatte die Gemeinde dem Verband eine bis zum 26.05.2019 befristete Sondernutzungserlaubnis erteilt, rund 250 Wahlplakate anlässlich der im Mai stattfindenden Europawahl im öffentlichen Straßenraum aufhängen zu dürfen. Auf den Plakaten war zu lesen: "Stoppt die Invasion: Migration tötet". Ferner waren – mit Kreuzen abgetrennt – die Namen zahlreicher Ortschaften, beispielsweise Kandel, abgebildet. Am 16.05.2019 forderte die Stadt den Verband ohne vorherige Anhörung auf, alle Wahlplakate zu entfernen.
OVG sieht Angriff auf die Menschenwürde von Migranten
Sowohl das Verwaltungsgericht Düsseldorf (BeckRS 2020, 7261) als auch das Oberverwaltungsgericht Münster (BeckRS 2021, 35199) gaben der Stadt recht. Das Wahlplakat ziele darauf ab, alle Migranten mit Mördern gleichzusetzen, vor denen Deutsche überall Angst haben müssten, so die Begründung. Zwar habe eine Anhörungspflicht nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW bestanden. Wegen des Angriffs auf die Menschenwürde der Flüchtlinge sei die Ordnungsbehörde gehalten gewesen, die notwendigen ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechtsgutverletzung wirksam zu beenden. Die Revision des Klägers beim BVerwG hatte Erfolg.
Beabsichtigte Aussage nicht entscheidend
Den Leipziger Richtern zufolge hat das OVG bei der inhaltlichen Erfassung des Wahlplakats die Grundsätze zur Auslegung von Meinungsäußerungen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Sie erklärten die Ordnungsverfügung daher für rechtswidrig. Auf die von der NPD beabsichtigte Aussage komme es nicht an. Maßgeblich sei das Verständnis eines "unvoreingenommenen und verständigen Publikums". Bei mehrdeutigen Äußerungen sei diejenige Variante zugrunde zu legen, die noch von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sei. Das OVG hätte bei seiner Interpretation der Aussagen auf dem Plakat berücksichtigen müssen, dass diese im Wahlkampf aufgehängt wurden, in dem konkurrierende Politikentwürfe typischerweise nur verkürzt und zugespitzt einander gegenübergestellt werden. Dass das Plakat auf die in Deutschland lebenden Migranten abziele, sei kein zwingender Schluss. Andere Deutungsvarianten wie eine nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllenden Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung habe das OVG komplett ausgeblendet.