Unterschiedliche Voraussetzungen beim Familiennachzug nicht zu beanstanden

Das Bundesverwaltungsgericht hat über mehrere Visumsanträge zum Kinder- bzw. Elternnachzug entschieden. Dabei hat es festgestellt, dass für den Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen einerseits (Kindernachzug) und zu subsidiär Schutzberechtigten andererseits (Elternnachzug) unterschiedliche Voraussetzungen bestehen. Dies stehe mit höherrangigem Recht im Einklang.

Streit um Familiennachzug bei Minderjährigkeit

Die von den Klägern zwischen 2016 und 2019 gestellten Visumanträge zum Nachzug von beziehungsweise zu ihren zu diesen Zeitpunkten noch minderjährigen Familienangehörigen wurden von den deutschen Auslandsvertretungen abgelehnt. Die dagegen eingereichten Klagen blieben in den Vorinstanzen ohne Erfolg, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Minderjährigkeit mehr gegeben gewesen sei. Das BVerwG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und die Revisionen zurückgewiesen. Dabei legte es für den Kindernachzug (1 C 8.21) und den Elternnachzug (1 C 56.20; 1 C 59.20; 1 C 31.21) jeweils unterschiedliche Voraussetzungen fest.

Im Rahmen des Kindernachzugs Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich

Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten (Kindernachzug) sei vom 17.03.2016 bis 31.07.2018 gemäß § 104 Abs. 13 AufenthG a.F. ausgeschlossen gewesen. Während dieses Zeitraums habe kein Nachzugsanspruch nach § 32 AufenthG bestanden. In Bezug auf die zum 01.08.2018 in Kraft getretene Nachzugsregelung des § 36a AufenthG gölten die zu § 32 AufenthG entwickelten Grundsätze, nach denen beim Nachzug von Kindern hinsichtlich der Einhaltung einer Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen sei und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts als auch im Zeitpunkt des Erreichens der jeweiligen Altersgrenzen erfüllt sein müssten. Ein Visumantrag habe indes erst nach Inkrafttreten des § 36a AufenthG nach dieser Norm geprüft werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger bereits volljährig gewesen.

Bei Elternnachzug Zeitpunkt der der letzten gerichtlichen Entscheidung maßgeblich

Zu dem beim Elternnachzug zum subsidiär schutzberechtigten Kind allein maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung in der Tatsacheninstanz seien die in den übrigen Verfahren stammberechtigten Kinder nicht mehr minderjährig gewesen. Die vom EuGH für den Familiennachzug zum anerkannten Flüchtling entwickelten Grundsätze, nach denen das Kind nur im (früheren) Zeitpunkt der Asylantragstellung beziehungsweise der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes an das stammberechtigte Familienmitglied minderjährig gewesen sein muss, seien auf den Familiennachzug zum subsidiär Schutzberechtigten nicht übertragbar, weil das Unionsrecht für den Familiennachzug zum subsidiär Schutzberechtigten keine entsprechenden Regelungen treffe und eine Gleichbehandlung auch sonst nicht geboten sei.

Sowohl zeitweilige Nichtgewährung des Familiennachzugs als auch Nachzugsregelung verfassungsgemäß

Das BVerwG führt aus, dass sowohl die zeitweilige Nichtgewährung des Familiennachzugs als auch die seit 01.08.2018 in Kraft getretene Nachzugsregelung des § 36a AufenthG verfassungsgemäß seien, solange die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung im Rahmen des § 22 Satz 1 AufenthG eröffnet bleibe. Dessen Voraussetzungen hätten jedoch in den hier zu entscheidenden Fällen nicht vorgelegen.

BVerwG, Urteil vom 08.12.2022 - 1 C 56.20

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 9. Dezember 2022.