Eine vom Vater ihrer Kinder getrennt lebende Mutter beantragte beim Jugendamt Unterhaltsvorschussleistungen für ihre siebenjährigen Zwillinge. Das Amt lehnte dies ab: Die Kinder lebten nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei der Mutter. Gemäß einer familienrechtlichen Vereinbarung seien sie 14-tägig von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen beim Vater, der sie in dieser Zeit betreue.
Die Mutter klagte, drang hiermit aber in den ersten beiden Instanzen nicht durch. Das OVG Münster stellte auf das gemeinsame Sorgerecht der Eltern ab, das auch tatsächlich praktiziert werde. Dies zeige sich an dem Betreuungsanteil des Vaters, der während der Schulzeiten 36% betrage. Dies entlaste die Mutter wesentlich.
Das BVerwG hob das Urteil des OVG auf und verwies die Sache zurück (Urteile vom 12.12.2023 – 5 C 9.22 und 5 C 10.22). Der Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen setze neben ausbleibenden oder unzureichenden Unterhaltszahlungen durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil voraus, dass das Kind bei einem Elternteil lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG). Dies verlange eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft, in der das Kind auch betreut werde.
Kein Vorschuss bei wesentlicher Entlastung von Betreuung
Die Vorschrift knüpfe an die prekäre Situation an, der Alleinerziehende ausgesetzt seien. Die bestehe darin, dass das Kind "nur" bei einem Elternteil lebt, weil hauptsächlich er die Betreuung des Kindes tatsächlich wahrnimmt und dadurch besonders belastet ist. So liege es bei einem vollständigen Alleinerziehen, aber auch dann, wenn die Betreuung ganz überwiegend durch einen Elternteil erfolgt, obgleich auch der andere Betreuungsleistungen für das Kind erbringt.
Diese "faktische Gesamtlage" des gesetzlich in Bezug genommenen Alleinerziehens bestehe nicht, wenn der Betreuungsanteil des barunterhaltspflichtigen Elternteils 40% erreicht oder überschreitet. Dann scheide ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss aus, so das BVerwG.
Die Frage, wie der durch die Mitbetreuung eintretende Entlastungseffekt zu ermitteln ist, beantwortet das BVerwG wie folgt: Es sei ausschließlich auf die Zeiten der tatsächlichen Betreuung abzustellen. Das seien die Zeiten, die das Kind in der Obhut des einen oder des anderen Elternteils verbringt – ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen. Bei ganztätig wechselweiser Betreuung komme es typisierend darauf an, wo sich das Kind zu Beginn des Tages aufhält. Dem Bezug von Kindergeld sowie Vereinbarungen zum Umgangsrecht komme nur indizielle und dem Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts grundsätzlich keine Bedeutung zu.
Um den Fall entscheiden zu können, muss das OVG laut BVerwG nun noch Feststellungen zu den tatsächlichen Verhältnissen und den Unterhaltszahlungen treffen.