Vorkaufsrecht zum Schutz der Wohnbevölkerung ausgeübt
Das von einer Immobiliengesellschaft erworbene, im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gelegene Grundstück ist mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1889 bebaut, in dem sich 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten befinden. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer Verordnung, die dem Schutz der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen dient (sogenannte Milieuschutzsatzung). Das Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt wird, wenn im Anschluss an die Veräußerung die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt würden.
Immobiliengesellschaft obsiegt vor BVerwG
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertige. Die sozialen Erhaltungsziele würden gefördert. Werde das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, seien nach Lage der Dinge die vom Bezirksamt aufgezeigten erhaltungswidrigen Entwicklungen zu befürchten. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Ausübung des Vorkaufsrechts liege nicht vor; die zu erwartenden Nutzungen des Erwerbers seien ebenfalls zu berücksichtigen. Dem ist das BVerwG nicht gefolgt. Es hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Voraussetzungen für Vorkaufsrecht liegen nicht vor
Das Bezirksamt habe das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB für das im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung gelegene Grundstück nicht ausüben dürfen, so das BVerwG unter Verweis auf § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB. Danach ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist. Diese Voraussetzungen lägen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für den Senat daher bindenden Tatsachenfeststellungen des OVG vor, so das BVerwG.
Mögliche zukünftige erhaltungswidrige Nutzungsabsichten ohne Belang
Die BVerwG-Richter stellten klar, dass § 26 Nr. 4 BauGB nach seinem Wortlaut eindeutig auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über das Vorkaufsrecht bezogen sei. Eine Auslegung in dem Sinne, dass die Vorschrift auf Vorkaufsrechte für Grundstücke im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung keine Anwendung findet, komme nicht in Betracht, so das Gericht. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des BauGB die alte Rechtslage nach dem BBauG insoweit unverändert übernehmen wollte und ihm dies bei der Gesetzesformulierung lediglich "misslungen" sei. Die vom OVG angestellte Prüfung, ob zukünftig von erhaltungswidrigen Nutzungsabsichten auszugehen ist, scheide daher aus.