Ru­he­stand für schwer­be­hin­der­ten Be­am­ten auch ohne In­te­gra­ti­ons­amt

An der Ent­schei­dung, ob ein schwer­be­hin­der­ter Be­am­ter wegen Dienst­un­fä­hig­keit in den Ru­he­stand ver­setzt wird, muss das In­te­gra­ti­ons­amt nicht be­tei­ligt wer­den. Auch die Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs zur Gleich­be­hand­lung von Ar­beit­neh­mern und Be­am­ten ver­langt dies laut Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt nicht. Das Ver­wal­tungs­ver­fah­ren biete ver­gleich­ba­ren Schutz.

"Gra­vie­ren­de see­li­sche Er­kran­kung"

Ein Be­am­ter des BND wehr­te sich gegen seine Ver­set­zung in den Ru­he­stand wegen Dienst­un­fä­hig­keit. Er hatte zu­letzt einen Grad der Be­hin­de­rung (GdB) von 90. Ein­ge­tra­gen waren die Merk­zei­chen "RF" und "GL" (Rund­funk­ge­büh­ren­be­frei­ung und Ge­hör­lo­sig­keit). An­lass für die Zwei­fel an der Dienst­fä­hig­keit war al­ler­dings die Tat­sa­che, dass der BND-Mit­ar­bei­ter nach einem Au­to­un­fall im Sep­tem­ber 2015 dau­er­haft krank­ge­schrie­ben war. Nach einer Reihe von Un­ter­su­chun­gen, sta­tio­nä­ren Auf­ent­hal­ten und einer ge­schei­ter­ten Wie­der­ein­glie­de­rung holte der Dienst­herr 2018 ein psych­ia­trisch-neu­ro­lo­gi­sches Gut­ach­ten ein. Es liege eine gra­vie­ren­de see­li­sche Er­kran­kung vor, die mitt­ler­wei­le chro­nisch ge­wor­den sei, so das Er­geb­nis. Eine Wie­der­her­stel­lung der Leis­tungs­fä­hig­keit sei un­wahr­schein­lich. Zum 31.07.2019 wurde der Be­am­te vom Prä­si­den­ten des BND in den Ru­he­stand ver­setzt. Die Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te, die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung und der Per­so­nal­rat er­ho­ben keine Ein­wän­de. Auch die Klage beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt führ­te zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis.

Ver­gleich­ba­res Schutz­ni­veau

Der 2. Senat war davon über­zeugt, dass der Mann aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den nicht mehr in den Dienst zu­rück­keh­ren konn­te. Er nutz­te aber die Ge­le­gen­heit, um sich ein­ge­hend mit der Frage aus­ein­an­der­zu­set­zen, ob hier eine Be­tei­li­gung des In­te­gra­ti­ons­amts ent­spre­chend den §§ 168 ff. SGB IX er­for­der­lich ge­we­sen wäre. Schon zu Be­ginn des Ver­fah­rens habe ein GdB von 60 vor­ge­le­gen, und der Mit­ar­bei­ter sei als Schwer­be­hin­der­ter an­er­kannt ge­we­sen. § 168 SGB IX, wo­nach das In­te­gra­ti­ons­amt einer Kün­di­gung zu­stim­men muss, ist nach Über­zeu­gung des Ge­richts aber nicht auf das Ver­fah­ren zur Ver­set­zung von Le­bens­zeit­be­am­ten in den Ru­he­stand nach § 44 BBG an­wend­bar. Dies gelte auch für Fälle, in denen die Schwer­be­hin­de­rung selbst Ur­sa­che der Dienst­un­fä­hig­keit sei. Eine ent­spre­chen­de An­wen­dung sei weder nach na­tio­na­lem Recht vor­ge­se­hen, noch führ­ten eu­ro­pa­recht­li­che As­pek­te zu einer an­de­ren Ent­schei­dung. Ein Ur­teil des EuGH aus dem Jahr 2017 ver­lan­ge kei­nen iden­ti­schen, son­dern einen gleich­wer­ti­gen Schutz für schwer­be­hin­der­te Be­am­te im Ver­gleich zu Ar­beit­neh­mern. Das Ver­wal­tungs­ver­fah­ren nach § 44 BBG stel­le Staats­die­ner je­den­falls recht­lich nicht schlech­ter.   

BVerwG, Urteil vom 07.07.2022 - 2 A 4.21

Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 27. Oktober 2022.

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