Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beantragt
Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Ihr Ehemann, ebenfalls türkischer Staatsangehöriger, lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Deutschland. Mit einem Schengen-Visum reiste sie 2013 über die Niederlande nach Deutschland und beantragte im Mai 2013 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Sie leide an einer chronischen Anämie, schlecht eingestelltem Diabetes mellitus (Typ 2) und sei außerdem Analphabetin, weshalb sie auf die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen sei.
Möglichkeit des Entgegenhaltens von Versagungsgründen strittig
Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin nicht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nachgewiesen habe, dass sie sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne, und weil sie ohne das erforderliche nationale Visum nach Deutschland eingereist sei. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Es war der Auffassung, beide Versagungsgründe könnten der Klägerin wegen der assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln des Art. 13 ARB 1/80 beziehungsweise Art. 7 ARB 2/76 nicht entgegengehalten werden.
Visumerfordernis beim Ehegattennachzug rechtens?
Das BVerwG sieht Klärungsbedarf, ob das nach nationalem Recht bestehende Visumerfordernis beim Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer mit der assoziationsrechtlichen Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 vereinbar ist. Er hat hierzu dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens mehrere Fragen vorgelegt, unter anderem auch zur Fortgeltung dieser Stillhalteklausel für Rechtsveränderungen, die - wie hier die Einführung der Visumpflicht für nachziehende Ehepartner - kurz vor Inkrafttreten der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 in Kraft getreten sind.
Vereinbarkeit des Spracherfordernisses nicht mehr klärungsbedürftig
Hinsichtlich der Vereinbarkeit des Spracherfordernisses mit Unionsrecht sieht das BVerwG wegen der während des Klageverfahrens in Kraft getretenen Härteklausel des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG keinen Klärungsbedarf mehr. Nach dieser vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigten Regelung ist vom Spracherfordernis abzusehen, wenn es dem Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen. Dies werde nach der Beantwortung der Vorlagefragen vom Tatsachengericht zu klären sein, so das BVerwG. Das Revisionsverfahren ist bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt.