Richtige Antwort in Prüfung trotz Schreibfehlers

Verschreibt sich ein Teilnehmer in einer Prüfung bei einem Fachbegriff, handelt es sich um einen unbeachtlichen Schreibfehler, wenn der gesuchte Ausdruck eindeutig erkennbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht ließ die Revision gegen eine für eine Kandidatin günstige Entscheidung nicht zu. Verfahrensfehler seien nicht dargelegt worden. 

Um einen Punkt verfehlt…

Eine Diplom-Psychologin verlangte vom Land Nordrhein-Westfalen, ihre staatliche Prüfung zur Psychologischen Psychotherapeutin für bestanden zu erklären. Der Beklagte hatte sie dazu im August 2017 zugelassen, nachdem sie die Ausbildung absolviert hatte. Während sie im mündlichen Teil mit der Gesamtnote "gut" bestand, fiel sie sowohl im schriftlichen ersten Versuch als auch im Wiederholungsversuch durch. Im September 2018 teilte das Land der angehenden Therapeutin mit, dass auch der zweite Wiederholungsversuch und die Prüfung damit endgültig nicht bestanden seien. Die Bestehensgrenze beim schriftlichen Teil habe bei 48 Punkten gelegen, die sie um einen Punkt verfehlt habe. Die Frau erhob Widerspruch: Ihre Antwort "hyperchondrische Störung" statt "hypochondrische Störung" bei der Kurzantwortaufgabe Nr. 3 sei mit richtig zu bewerten, weil es sich dabei um einen unbeachtlichen Schreibfehler handele. Der Beklagte berief sich dagegen auf eine fachliche Stellungnahme des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), wonach die griechischen Wortbestandteile "hyper" und "hypo" unterschiedliche Bedeutung hätten. 

OVG: Unbeachtlicher Rechtschreibfehler

Auch beim Verwaltungsgericht Düsseldorf scheiterte die Frau mit ihrem Anliegen, nicht aber beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster. Dieses verpflichtete den Beklagten, die schriftliche Prüfung mit 48 Punkten für bestanden zu erklären. Das IMPP wäre nicht zum Verfahren beizuladen gewesen, da dessen rechtliche Interessen durch die Entscheidung über die Bewertung der Prüfungsfrage als richtig oder falsch nicht berührt seien. Die Schreibweise der Ärztin sei als unbeachtlicher Rechtschreibfehler zu werten, da es den Fachbegriff "Hyperchondrie" nicht gebe und daher keine Verwechselung zweier Fachbegriffe mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt vorliege. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Landes beim BVerwG blieb ohne Erfolg.

Verfahrensmängel konkret zu bezeichnen

Aus Sicht des BVerwG lassen sich keine Verfahrensfehler beim OVG erkennen. Dem Vorbringen des Beklagten zu der Frage, ob es sich bei der Beantwortung der Kurzantwortaufgabe Nr. 3 um eine Fachfrage oder eine fachspezifische Wertung handele, lasse sich schon nicht entnehmen, welche Verfahrensvorschrift das OVG verletzt haben soll. Darüber hinaus verkenne das beklagte Land, dass das OVG nicht auf die von ihm aufgeworfene Frage hätte eingehen müssen. Es sei von einem unbeachtlichen Schreibfehler ausgegangen und habe hervorgehoben, dass mangels eigenständigen Bedeutungsgehalts des Begriffs "hyperchondrische Störung" es nicht entscheidungserheblich darauf angekommen sei, ob "Hypochondrie" und "Hyperchondrie" synonym verwandt würden. Auch soweit der Beklagte die unterlassene Beiladung des IMPP gerügt habe, sei die Begründung nicht ausreichend. Allein die Behauptung, dass bei erfolgter Beiladung des IMPP die Sache anders bewertet worden und die Entscheidung anders ausgefallen wäre, genüge nicht.

BVerwG, Beschluss vom 20.12.2022 - 6 B 36.22

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2023.