Rechtsmissbräuchliches Anwalts-Verhalten für IFG-Anfrage irrelevant

Stellt ein Anwalt für 573 Mandanten gleichlautende Anträge auf Information bei einer Behörde, um Gebühren zu verdienen, können diese Anträge nicht als rechtsmissbräuchlich abgelehnt werden. Maßgeblich für den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung ist dem Bundesverwaltungsgericht zufolge immer das Interesse des Klägers an der verlangten Information – nicht das des Rechtsanwalts.

Geschäftsmodell eines Rechtsanwalts

Ein Anwalt generierte fast 600 Mandate: In einem Akquiseschreiben an die Anleger der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig West AG stellte er gute Erfolgsaussichten dar, ihren erlittenen Schaden von den Aufsichtsbehörden ersetzt zu bekommen. Kaum bevollmächtigt, stellte er jeweils gleichlautende Anträge auf Informationszugang über das Anlageobjekt beim Bundesfinanzministerium: Er verlangte zu erfahren, welche personenbezogenen Daten über den geschädigten Anleger gespeichert waren und welche Dokumente seiner Mandanten der Behörde vorlagen. Das Ministerium lehnte diese Flut von Anträgen unter anderem deshalb ab, weil ein Teil der gewünschten Informationen bereits zur Einsichtnahme im Ministerium bereitstand und dem Verlangen ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entgegenstand. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erzielte der Anwalt für eine Anlegerin nun einen Teilerfolg.

Rechtsmissbrauch kann entgegengehalten werden...

Einem Antrag auf Informationszugang nach dem IFG kann dem BVerwG zufolge grundsätzlich der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden. Wie für jeden anderen Anspruch gelte auch dort, dass die Rechtsausübung unzulässig ist, wenn sie gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstößt. Verfolge der Anspruch nur das Ziel, einem anderen Schaden zuzufügen, etwa indem eine Behörde lahmgelegt werden solle, unterfalle er dem Schikaneverbot nach § 226 BGB. Auch wenn das berechtigte Interesse an der Information nicht dargelegt werden muss, bedeutet dies dem 10. Senat zufolge nicht, dass es nicht vorhanden sein muss.

...aber nur in eng umgrenzten Fällen

Rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt den Leipziger Richtern zufolge aber nur dann vor, wenn es der Klägerin gar nicht um die begehrte Information geht. Wenn hingegen der Anwalt klage, um die Gebühren zu verdienen, sage das nichts über das Klägerinteresse aus. Ihr selbst könne ein Verhalten des Bevollmächtigten, welches er in fremden Mandaten zeige, nicht entgegengehalten werden. Nur innerhalb der eigenen Sache könne man ihr seine Handlungen nach § 164 BGB, § 85 ZPO zurechnen. Weil die Vorinstanz keine Feststellungen über das Interesse der Anlegerin getroffen hatte, hob der BVerwG das Urteil auf und verwies es an das OVG Berlin-Brandenburg zurück.

BVerwG, Urteil vom 24.11.2020 - 10 C 12.19

Redaktion beck-aktuell, 12. März 2021.