BVerwG grenzt Rechtsmissbräuchlichkeit einer Vaterschaftsanerkennung ein

Die Anerkennung der Vaterschaft eines nichtdeutschen Kindes durch einen Vater deutscher Staatsangehörigkeit erfolgt "nicht gezielt gerade zu dem Zweck", die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für Einreise und Aufenthalt zu schaffen, wenn sie auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung dient. Das hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig gestern entschieden.

Streit um Zustimmungserklärung einer Mutter zu Vaterschaftsanerkennung

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Beamter im Dienst des Auswärtigen Amtes, der an verschiedenen Botschaften eingesetzt war. Er ist im Rechtssinn Vater von neun Kindern, deren leiblicher Vater er nach seinen Angaben ist. Drei dieser Kinder sind aus der Ehe mit einer japanischen Staatsangehörigen hervorgegangen. Bei sechs weiteren Kindern aus verschiedenen Beziehungen, mit denen er teils zusammenlebt oder denen er Unterhalt gewährt, hat er die Vaterschaft anerkannt. Während seines Dienstes in Kamerun lernte er den 2001 geborenen Sohn einer kamerunischen Staatsangehörigen kennen. Ende 2016 erkannte er dessen Vaterschaft notariell an. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kamerun lehnte es in der Folgezeit ab, die Zustimmungserklärung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung zu beurkunden, und stellte mit dem angefochtenen Bescheid vom April 2018 fest, dass diese Zustimmungserklärung missbräuchlich sei (§ 85a AufenthG in Verbindung mit § 1597a BGB).

OVG: Annahme eines Missbrauchs eng auszulegen

Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hatte das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hatte der Berufung des Klägers stattgegeben, weil die Vaterschaftsanerkennung nicht missbräuchlich nach § 1597a Abs. 1 BGB sei. Nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen sei ein enges Verständnis einer "missbräuchlichen" Vaterschaftsanerkennung geboten. Eine solche liege nur vor, wenn der alleinige Zweck der Anerkennung darin bestehe, die rechtlichen Voraussetzungen für eine ansonsten verwehrte Einreise bzw. einen ansonsten verwehrten Aufenthalt zu schaffen. Anhaltspunkte, die im Fall für eine rein aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger sprechen könnten, seien durch gewichtige Umstände, unter anderem das Bestehen persönlicher Bindungen, entkräftet. Mit ihrer Revision hat die BRD unter anderem geltend gemacht, für die Annahme einer "missbräuchlichen", auf die aufenthaltsrechtlichen Folgen gerichteten Vaterschaftsanerkennung sei ausreichend, dass der aufenthaltsrechtliche Zweck ein prägender sei.

BVerwG: Aufenthaltsrechtliche Wirkungen der Vaterschaftsanerkennung nicht vermeidbar

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision zurückgewiesen. Die Anerkennung der Vaterschaft eines minderjährigen Kindes nichtdeutscher Staatsangehörigkeit durch einen deutschen Staatsangehörigen zeitige zwangsläufig auch aufenthaltsrechtliche Wirkungen. Diese dürfe ein die Vaterschaft Anerkennender auch wollen und bezwecken. Im Sinn des § 1597a Abs. 1 BGB "nicht gezielt gerade zu dem Zweck" solcher aufenthaltsrechtlichen Wirkungen erfolge eine Vaterschaftsanerkennung jedenfalls dann, wenn mit ihr ein über die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen hinausgehender, rechtlich anzuerkennender Zweck verfolgt werde. Dieser Zweck muss auf die Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung bezogen sein. Aus der Vaterschaftsanerkennung resultierende Rechte und Pflichten müsse der Anerkennende auch tatsächlich wahrnehmen ("leben") wollen.

Zweck auf Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung gerichtet

Das konkrete Maß der tatsächlichen Wahrnehmung habe die Vielfalt grundrechtlich geschützter Möglichkeiten zu berücksichtigen, Eltern-Kind-Beziehungen autonom und weitestgehend frei von staatlichen Vorgaben auszugestalten. Es gebe kein staatlich vorgeprägtes Bild eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Ein solches, auch erst anzustrebendes Verhältnis umfasse indes notwendig auch Elemente von elterlicher Verantwortung, ohne dass diese in allen Dimensionen wahrgenommen werden müsse. Eine häusliche Gemeinschaft sei nicht erforderlich, auch eine geistig-emotionale Nähebeziehung könne ausreichen. Ob diese Voraussetzungen gegeben seien, habe die Ausländerbehörde aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Nach diesen Grundsätzen habe das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend verfahrensfehlerfrei die Fortführung und Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung im Bundesgebiet als Zweck der Vaterschaftsanerkennung gesehen.

BVerwG, Urteil vom 24.06.2021 - 1 C 30.20

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2021.