Gastro-Schließungen in zweiter Corona-Welle waren rechtmäßig

Die Schließung saarländischer Gastronomiebetriebe während der "zweiten Corona-Welle" Ende Oktober 2020 durfte auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in zwei Verfahren entschieden, die Sachen für weitergehende Feststellungen aber an die Tatsachengerichte zurückverwiesen.

Streit um coronabedingte Gastronomieschließungen im Saarland

Die Antragstellerin des Verfahrens 3 CN 4.22 betreibt ein spanisches Restaurant, der Antragsteller des Verfahrens 3 CN 5.22 ein Gourmetrestaurant. Beide wandten sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der bis zum 15.11.2020 geltenden saarländischen Corona-Verordnung vom 30.10.2020, wonach landesweit der Betrieb von Gaststätten verboten war. Das Oberverwaltungsgericht gab den Anträgen statt. Die Regelung habe nicht auf einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht.

BVerwG hebt vorinstanzliche Urteile auf

Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr die Urteile aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen. Die Schließung von Gastronomiebetrieben sei unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht in der betroffenen Gaststätte als notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG als insoweit tragfähige Ermächtigungsgrundlage gerechtfertigt gewesen. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben angeordnet werden könne, sei eine wesentliche Frage, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln müsse. Dies habe er auch durch die Generalklausel in einer Weise getan, die im betreffenden Zeitraum noch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Demokratie- und Rechtsstaatsgebots entsprochen habe.

Ausdrückliche Regelung noch nicht erforderlich

Die Erfahrungen mit der "ersten Welle" der COVID-19-Pandemie hätten zwar Anlass geben können, ausdrücklich zu regeln, ob die Schließung von Gastronomiebetrieben unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht zulässig sein soll. Dass der Gesetzgeber dies mit Blick auf die Generalklausel und ihre Anwendung in der Pandemie nicht für erforderlich hielt, überschritt aber den ihm zukommenden Spielraum nicht. Klarer begrenzen können hätte er die Zulässigkeit der Schließung von Gastronomiebetrieben nur durch die Festlegung einer Eingriffsschwelle. Dass er die Erfahrungen mit dem Erreger SARS-CoV-2 und der Dynamik des Pandemiegeschehens noch nicht für ausreichend hielt, um hinreichend konkret jedenfalls für eine gewisse Dauer zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gastronomiebetriebe zur Bekämpfung von COVID-19 geschlossen werden dürfen, sei für den hier zu betrachtenden Zeitraum bis Mitte November nicht zu beanstanden. Auch insoweit habe der Gesetzgeber einen Spielraum gehabt.

Weitergehende Prüfung erfordert noch tatsachengerichtliche Feststellungen

Zur Klärung der Frage, ob die angegriffene Regelung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar gewesen sei, müsse das Oberverwaltungsgericht noch weitere Feststellungen treffen.

BVerwG, Urteil vom 16.05.2023 - 3 CN 5.22

Redaktion beck-aktuell, 16. Mai 2023.