Russe mit deutschem Großvater begehrte Anerkennung als Spätaussiedler
Der 1964 geborene Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, begehrt die Aufnahme als Spätaussiedler. Seine 1935 geborene Mutter ist ausweislich der dem Kläger 2011 ausgestellten Geburtsurkunde russischer Nationalität. In der ebenfalls 2011 ausgestellten Geburtsurkunde seiner Mutter ist der im Jahr 1942 im Krieg gefallene Großvater mütterlicherseits mit deutscher Nationalität vermerkt. Antrag, Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben.
OVG: Kläger ist kein Spätaussiedler im Sinn des Vertriebenenrechts
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger könne nicht Spätaussiedler im Sinn von § 4 Abs. 1 Nr. 3 des BVFG sein, weil er nicht von einer Person abstamme, die die Stichtagsvoraussetzung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVFG erfülle. Der insoweit allein in Betracht kommende Großvater mütterlicherseits sei bereits 1942 verstorben.
BVerwG: Berufungsgericht hätte auch noch die Volkszugehörigkeit der Mutter prüfen müssen
Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe zwar im Einklang mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG entschieden, dass sich der Antragsteller zur Anerkennung als Spätaussiedler nicht auf die Abstammung von seinem Großvater berufen könne, da dieser zu den in § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVFG bezeichneten Stichtagen nicht mehr gelebt habe. Es habe aber nicht hinreichend geprüft, ob die Mutter, die im Zeitpunkt des Beginns der Vertreibungsmaßnahmen (hier) im Juni 1941 noch Kind und nicht bekenntnisfähig war, in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Geburt des Klägers nach der seinerzeitigen Rechtslage mit Blick auf eine deutsche Volkszugehörigkeit ihres Vaters ebenfalls als deutsche Volkszugehörige einzustufen war.
Der bei Vertreibungsbeginn für die Bekenntnislage in der Familie prägende Elternteil ist maßgebend
Bei Elternteilen verschiedenen Volkstums sei danach entscheidend, welcher Elternteil bei Beginn der Vertreibungsmaßnahmen für die Bekenntnislage in der Familie prägend war. Für die Prüfung der deutschen Volkszugehörigkeit des Aufnahmebewerbers selbst liege § 6 Abs. 2 BVFG ebenfalls ein weiter, generationenübergreifender Begriff der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen zugrunde. Er erfasse neben den Eltern auch die Voreltern, mithin die Großeltern oder die Urgroßeltern. Hieran sei auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Änderungen vom 06.09.2013 festzuhalten.
Kein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum mehr erforderlich
Danach würde ein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum und zur Bestätigung des Bekenntnisses, eine innerfamiliäre Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse oder sonstiger Elemente deutscher Volkszugehörigkeit nicht mehr zwingend gefordert. § 6 Abs. 2 BVFG könne deshalb auch keine Voraussetzung entnommen werden, wonach der Vorfahre, von dem der Aufnahmebewerber seine deutsche Volkszugehörigkeit ableite, bei dessen Geburt oder Eintritt der Bekenntnisfähigkeit noch gelebt haben und in der Lage gewesen sein müsste, dem Aufnahmebewerber das deutsche Volkstum zu vermitteln oder ihn sonst volkstumsmäßig zu prägen.