BVerwG: Planfeststellungsbeschluss für neue S-Bahn-Trasse in Fürth-Nord rechtswidrig und nicht vollziehbar

Der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) für das Vorhaben Ausbaustrecke Nürnberg – Ebensfeld, Planfeststellungsabschnitt Fürth-Nord, vom 30.01.2014 ist derzeit rechtswidrig, da er gegen geltendes Naturschutzrecht verstößt und auf einer fehlerhaften Abwägung beruht. Da diese Mängel möglicherweise noch durch ein ergänzendes Verfahren beseitigt werden können, war der Planfeststellungsbeschluss nicht aufzuheben, sondern nur für nicht vollziehbar zu erklären, entschied das Bundesverwaltungsgericht am 09.11.2017 mit drei Urteilen (Az.: 3 A 2.15, 3 A 3.15 und 3 A 4.15).

Vorgesehene S-Bahn-Trasse in der Kritik

Das Vorhaben ist Teil der Ausbau-/Neubaustrecke Nürnberg – Erfurt – Leipzig/Halle – Berlin (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8). Bisher werden im hier planfestgestellten Abschnitt auf der zweigleisigen Bestandsstrecke der Personenfernverkehr, der Personennahverkehr einschließlich S-Bahn und der Güterverkehr abgewickelt. Der Planfeststellungsbeschluss lässt den Bau zweier neuer Gleise für den Güterverkehr und einer neuen S-Bahn-Trasse zu. Letztere soll an einem neuen Haltepunkt Stadeln-Süd von der Bestandsstrecke nach Osten abschwenken (Verschwenktrasse). Die Kläger – die Stadt Fürth, 17 von der S-Bahn-Trasse in ihrem Grundeigentum betroffene Eigentümer und eine anerkannte Naturschutzvereinigung – rügten in erster Linie, dass das EBA die in Betracht kommenden Trassenalternativen für die S-Bahn nicht fehlerfrei gegeneinander abgewogen habe. Sie möchten die neue S-Bahn-Trasse mit zwei Haltepunkten in Stadeln parallel zu den Bestandsgleisen führen (sogenannte Bündelungstrasse).

BVerwG rügt Verstoß gegen Naturschutzrecht

Das BVerwG hat den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Er verstoße zum einen gegen Naturschutzrecht. So seien die für den Verlust von Brutrevieren des stark gefährdeten Kiebitzes vorgesehenen Ausgleichsflächen wegen ihrer Nähe zu den Verkehrswegen zu einem großen Teil für den Kiebitz nicht geeignet. Eine signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos für Fledermäuse mit S-Bahnen und Güterzügen könne im Bereich der Gründlachniederung nicht unter Verweis auf die nur auf der östlichen Gleisseite vorgesehene Lärmschutzwand ausgeschlossen werden. Die Eignung einer Ausgleichsfläche für Zauneidechsen sei nicht nochmals überprüft worden, obwohl die Fläche nach einer Planänderung zugleich der Hochwasserrückhaltung dienen soll. Außerdem sei der naturschutzrechtliche Ausgleichsbedarf mit Blick auf die Wertigkeit der für die S-Bahn-Trasse benötigten Ackerflächen nicht richtig berechnet worden.

Fehler bei Abwägung der Trassenalternativen

Zudem sei die Abwägung der Trassenalternativen fehlerhaft erfolgt. Das EBA habe die Verschwenktrasse vor allem deshalb als vorzugswürdig angesehen, weil eine Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) aus dem Jahr 2011 ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 1,18 für die Verschwenktrasse, aber nur von 0,93 für die Bündelungstrasse ergeben habe und damit für diese Trasse der für die Bereitstellung von Haushaltsmitteln wesentliche Wert von 1 nicht erreicht sei. Abgesehen davon, dass die NKU für die Bündelungstrasse ein NKV von 0,97 ergeben hat, wäre diese Erwägung nur dann tragfähig, wenn das EBA die substantiierten Einwendungen der Stadt Fürth gegen die NKU geprüft und mit jedenfalls vertretbaren Argumenten zurückgewiesen hätte. Die sowohl die Erschließungswirkung als auch die Kosten betreffenden Einwendungen hätten das Potential, das NKV für die Bündelungstrasse über 1 zu heben und die jeweiligen Werte mindestens stark anzunähern, so das BVerwG.

Mängel möglicherweise noch behebbar

Die Abwägung der Trassenalternativen leide darüber hinaus an Ermittlungsdefiziten im Hinblick auf den Flächenbedarf, den Ausgleich von Retentionsraumverlusten bei Hochwasser, die Zerschneidungswirkungen und den Lärmminderungsnutzen. Insbesondere hätte das EBA im Hinblick auf den überwiegend kleinbetrieblich organisierten Anbau von Sonderkulturen im Knoblauchsland nicht offen lassen dürfen, in welchem Umfang für die jeweiligen Trassen privates Grundeigentum in Anspruch genommen werden muss und inwieweit entstehende Restflächen landwirtschaftlich noch nutzbar sind. Die festgestellten Mängel führen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil sie möglicherweise durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können.

BVerwG, Urteil vom 09.11.2017 - 3 A 2.15

Redaktion beck-aktuell, 9. November 2017.

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