Leben für Tochter geopfert: Familie von Jura-Professor siegt vor BVerwG
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© Andrea Merola / dpa

Ein Jura-Professor starb bei einem Gondel-Unfall in Venedig, als er seine Tochter vor dem Tod retten wollte. Die Unfallkasse honorierte das posthum mit einer Mehrleistung, doch hiervon kam bei der Familie nichts an. Das ist nicht rechtens, findet das BVerwG.

2013 machte der Fall eines Münchener Jura-Professors Schlagzeilen, der auf einer Reise mit seiner Familie in ein tragisches Gondel-Unglück auf dem Canal Grande in Venedig, unmittelbar vor der berühmten Rialto-Brücke, verwickelt wurde. Weil er bei dem Unfall sein Leben opferte, um seine dreijährige Tochter zu retten, zahlte die Unfallkasse Mehrleistungen an seine Familie aus. Einen spürbaren Vorteil hatte diese davon jedoch nicht, da die Leistungen aus der Hinterbliebenenversorgung im Gegenzug gekürzt wurden. Dies hat das BVerwG nun mit seiner Entscheidung vom Donnerstag korrigiert (Urteil vom 11.04.2024 - 2 C 6.23).

Der Unfall ereignete sich um die Mittagszeit, als der 50-jährige Strafrechts-Professor und Richter mit seiner Familie in eine Gondel stieg, um die Stadt vom Wasser aus zu erkunden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kanal vor der Rialto-Brücke völlig überfüllt mit Booten und Wasserbussen, die Fahrzeuge rangierten wild hin und her. Der Fahrer eines sogenannten Vaporettos - eines Wassertaxis - setzte zurück und übersah dabei die Gondel der deutschen Familie, die er in der Folge 20 Meter durch den Kanal mitschleifte.

Der Gondoliere sowie die Mutter und die beiden Söhne stürzten beim Zusammenprall ins Wasser, blieben aber unverletzt. Der Familienvater warf sich unterdessen auf seine dreijährige Tochter, die ebenfalls noch im Boot war, um diese zu schützen. Dabei wurde er selbst zwischen der Fähre und einem Pier zerdrückt. Wiederbelebungsversuche vor Ort blieben erfolglos, im Krankenhaus konnte nur noch sein Tod festgestellt werden. Die kleine Tochter überlebte dagegen mit einigen Gesichtsverletzungen.

Freistaat kürzte Hinterbliebenenversorgung

Das deutsche Rechtssystem, das im Übrigen nicht dafür bekannt ist, Sentimentalitäten übermäßigen Raum zu geben, hält für solche Fälle tatsächlich eine Sonderregelung bereit: Wer anderen in Not Hilfe leistet und hierbei selbst zu Schaden kommt, dem gewährt § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a) SGB VII eine Mehrleistung aus der gesetzlichen Unfallkasse. Ist der Versicherte verstorben, geht der Anspruch wie gewöhnlich auf die Erben über.

So erhielt auch die Familie des verstorbenen Hochschullehrers eine höhere Leistung aus der Unfallkasse, doch von diesem Geld blieb ihr unter dem Strich nichts: Der Freistaat Bayern, in dessen Diensten der Mann als Professor der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität gestanden hatte, rechnete kurzerhand die Mehrleistungen der Unfallkasse auf die Hinterbliebenenversorgung an. Klagen der Familie gegen den Kürzungsbescheid blieben zunächst erfolglos.

BVerwG: Aufopferung soll honoriert werden

Das BVerwG trat dem nun entgegen und entschied, dass die Hinterbliebenenversorgung für die Familie nicht um den Mehranspruch aus der Unfallkasse gekürzt werden durfte. Der Senat begründete dies mit der Natur des Mehrleistungsanspruchs, der eine besondere Aufopferung honorieren solle.

Die Anrechnungsregelungen des Beamtenversorgungsrechts verfolgten den Zweck, eine Doppelversorgung des Beamten aus öffentlichen Kassen zu vermeiden, so das BVerwG. Damit seien Fälle gemeint, in denen Beamten neben ihren Versorgungsbezügen noch Ansprüche auf Leistungen aus Sozialversicherungen mit Lohnersatz- oder Unterhaltsersatzfunktion zustünden. Um eine solche gehe es hier aber gerade nicht, denn die Mehrleistungen nach dem SBG VII dienten gerade nicht dem Lebensunterhalt. Sie sollten vielmehr eine Aufopferung des Einzelnen im Interesse des Gemeinwohls honorieren. Deshalb seien sie auch nicht auf die Versorgungsbezüge anzurechnen.

BVerwG, Urteil vom 11.04.2024 - 2 C 6.23

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, 11. April 2024.