Streit um Zulässigkeit des Vertriebs in Deutschland
Die Klägerin im zugrundeliegenden Fall beabsichtigt, zwei in Österreich hergestellte und dort als Nahrungsergänzungsmittel verkaufsfähige Produkte in Deutschland zu vertreiben. Beide enthalten Kapseln mit jeweils 100 mg Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (GbE). Nach der Verzehrempfehlung soll einmal täglich eine Kapsel eingenommen werden. Um Rechtssicherheit über die Zulässigkeit des Vertriebs in Deutschland zu erlangen, beantragte die Klägerin im Dezember 2009 beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Bestätigung der Verkehrsfähigkeit durch den Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Das BVL lehnte den Antrag ab, weil für Produkte mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag von einer pharmakologischen Wirkung ausgegangen werden müsse und es sich daher um Arzneimittel handele. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.
OVG verweist auf wissenschaftliche Studien
Nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg belegen wissenschaftliche Studien eine pharmakologische Wirkung von Produkten mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag. Sie beeinflussten die menschlichen physiologischen Funktionen positiv, indem sie in nennenswerter Weise die Blutviskosität verringerten und die zerebrale Perfusion in bestimmten Gehirnregionen verbesserten.
Mögliche Gesundheitsrisiken nicht ausreichend berücksichtigt
Auf die Revision der Klägerin hat das BVerwG jetzt das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das OVG zurückverwiesen. Die Annahme einer pharmakologischen Wirkung der streitgegenständlichen Produkte habe das Berufungsgericht zwar ohne Verstoß gegen revisibles Recht festgestellt. Zu Recht sei es dabei auch davon ausgegangen, dass der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit für die Annahme der Arzneimitteleigenschaft eines Produkts nicht erforderlich ist. Diese Anforderung gelte erst für die Zulassung eines Arzneimittels. Das Berufungsurteil habe es indes unterlassen, mögliche Gesundheitsrisiken in die Gesamtbetrachtung einzustellen. Lägen die Auswirkungen eines Produkts auf die physiologischen Funktionen im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungs- und Arzneimittel, komme dem Merkmal der Verwendungsrisiken besonderes Gewicht zu. Eine Einstufung als Arzneimittel sei insoweit nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderlich sei.