BVerwG konkretisiert Arzneimitteleigenschaft von Import-Blutegeln

Lebende Blutegel, die zum Zweck der Arzneimittelherstellung nach Deutschland importiert werden, können im Zeitpunkt der Einfuhr noch nicht als Arzneimittel eingestuft werden, wenn wesentliche Bearbeitungsschritte zum anwendungsfertigen medizinischen Blutegel erst im Inland erfolgen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17.08.2017 klargestellt (Az.: 3 C 18.15).

Import wild aufgewachsener Blutegel

Die Klägerin ist ein medizinisches Import- und Vertriebsunternehmen, das lebende Blutegel zur Anwendung in der Humanmedizin herstellt. Hierfür importiert sie unter anderem aus der Türkei Blutegel, die in ihren natürlichen Lebensräumen wild aufgewachsen sind. Zwischen ihr und dem Beklagten war streitig, ob die importierten Blutegel bereits zum Zeitpunkt der Einfuhr die Merkmale eines Arzneimittels erfüllen. Die Klägerin war der Auffassung, dass die Blutegel ihre medizinische Zweckbestimmung erst erhalten würden, nachdem im Inland ungeeignete Tiere aussortiert worden seien und die verbliebenen Blutegel einen mehrmonatigen Quarantäneprozess einschließlich mikrobiologischer Kontrolluntersuchungen durchlaufen hätten.

Beklagter Freistaat verweist auf medizinische Zweckbestimmung schon bei Einfuhr

Der beklagte Freistaat meinte demgegenüber, dass die medizinische Zweckbestimmung von Anfang an feststehe und die Blutegel deshalb schon im Einfuhrzeitpunkt als Arzneimittel zu behandeln seien. Danach bedürfe die Klägerin einer Erlaubnis zur Einfuhr von Arzneimitteln aus einem Nicht-EU-Land gemäß § 72 des Arzneimittelgesetzes (AMG) sowie einem Zertifikat über die Einhaltung der anerkannten Grundregeln für die Herstellung und Qualitätssicherung von Arzneimittel nach § 72a AMG. Das Verwaltungsgericht hatte der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Klägerin keine Einfuhrerlaubnis und kein Einfuhrzertifikat benötige. Der Verwaltungsgerichtshof hatte auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen.

BVerwG: Wesentliche weitere Aufbereitung erforderlich

Auf die Revision der Klägerin hat das BVerwG jetzt das Berufungsurteil geändert und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Das VG habe zu Recht angenommen, dass die Vorschriften über die Einfuhr von Arzneimitteln nach §§ 72, 72a AMG nicht eingreifen. Die von der Klägerin importierten Blutegel seien im Zeitpunkt der Einfuhr keine Arzneimittel im Sinn von § 2 Abs. 1 AMG. Sie stellten in diesem Zeitpunkt lediglich die Vorstufe eines Arzneimittels dar. Zwar könne im Rahmen eines mehrstufigen Herstellungsprozesses auch Vor- oder Zwischenprodukten eine Arzneimitteleigenschaft zukommen. Hier stehe der Einstufung als Arzneimittel aber entgegen, dass die importierten Blutegel bis zum anwendungsfertigen Endprodukt noch einer wesentlichen weiteren Aufbereitung bedürfen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen würden die Blutegel bei der Klägerin einen mehrmonatigen Quarantäne- und mikrobiologischen Überwachungsprozess durchlaufen. Diese Maßnahmen seien nach der Leitlinie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu Blutegeln in der Humanmedizin erforderlich, um die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Blutegeln in der therapeutischen Anwendung sicherzustellen.

BVerwG, Urteil vom 17.08.2017 - 3 C 18.15

Redaktion beck-aktuell, 18. August 2017.

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