BVerwG: Kommunale Feuerwehrbeamte im Land Brandenburg haben Anspruch auf Freizeitausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit

Feuerwehrbeamte, die sich freiwillig bereit erklärt haben, über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus Dienst zu leisten, können hierfür von ihren Dienstherrn Freizeitausgleich verlangen. Kann der Dienstherr den primär auf Freizeitausgleich gerichteten Ausgleichsanspruch der Beamten nicht binnen Jahresfrist erfüllen, so besteht ab dem Folgemonat der Geltendmachung dieses Anspruchs ein Entschädigungsanspruch in Geld. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 20.07.2017 im Fall klagender Feuerbeamte in den Städten Potsdam, Oranienburg und Cottbus entschieden (Az.: 2 C 31.16, 2 C 32.16, 2 C 33.16, 2 C 34.16, 2 C 35.16, 2 C 36.16, 2 C 37.16, 2 C 38.16, 2 C 39.16, 2 C 40.16, 2 C 41.16, 2 C 42.16, 2 C 43.16 und 2 C 44.16).

Feuerbeamte forderten finanzielle Abgeltung ihrer Zuvielarbeit

Das BVerwG hatte über Ausgleichsansprüche kommunaler Feuerwehrbeamte im Land Brandenburg im Wesentlichen im Zeitraum zwischen 2007 und 2013 zu entscheiden. Während dieser Zeit verrichteten die Beamten auf eigenen Antrag Schichtdienst mit bis zu 56 Wochenstunden. 2010 und später machten sie geltend, die Dienstzeit, die über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden hinausgehe, sei infolge fehlerhafter Anwendung und Umsetzung von Unionsrecht als unionsrechtswidrige Zuvielarbeit finanziell abzugelten. Damit hatten sie in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.

Klagen in Bezug auf Zeiträume vor erstmaliger Geltendmachung der Ansprüche abgewiesen

Das BVerwG hat auf die Revisionen der beklagten Städte die auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch gestützten Klagen der Feuerwehrbeamten für die Zeiträume abgewiesen, die vor der erstmaligen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit durch die Beamten lagen. Für die Zeiträume nach der Geltendmachung des Ausgleichs für die Zuvielarbeit hat das BVerwG jeweils das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Unionsrechtlicher Haftungsanspruch dem Grunde nach zu bejahen

Dem Grunde nach sei ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Kläger gegen ihre Dienstherren zu bejahen, führt das BVerwG aus. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung ("Opt-Out") von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) sei zwar vom brandenburgischen Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts – hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009 – sei aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit hätten sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet.

Rechtsverordnungen verletzten EU-Arbeitszeitrichtlinie offensichtlich

Die Rechtsverordnungen verletzten offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot habe der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.

Beamter muss Dienstherrn jedoch zunächst auf Anspruch hinweisen

Auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs habe der Dienstherr aber nur die unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wird. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich – anders als beamtenrechtliche Besoldungs- oder Versorgungsansprüche – nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürften einer vorherigen Geltendmachung, betont das BVerwG. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gelte dies in besonderer Weise. Diese seien nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten sei daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit – etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne – vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge müsse der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht habe der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden.

Zuvielarbeit ab Monat nach der Rüge auszugleichen

Ab dem Monat nach einer berechtigten Rüge des Beamten habe der Dienstherr, kompensiere er die rechtswidrige Zuvielarbeit nicht mit Freizeitausgleich, diese Zuvielarbeit nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen, so das BVerwG. Der finanzielle Ausgleich erfolge dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richte sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden.

BVerwG, Urteil vom 20.07.2017 - 2 C 31.16

Redaktion beck-aktuell, 21. Juli 2017.

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