Kommandeurin darf nicht zu freizügig nach Kontakten suchen

Soldaten in besonders repräsentativen Funktionen müssen auch bei privaten Internetauftritten Zurückhaltung üben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht heute entschieden. Damit bestätigte es eine (milde) Disziplinarmaßnahme gegen eine Kommandeurin, die auf einem Datingportal annonciert hatte.

Dem Vorgesetzten zugespielt

Eine "im Bereich der Bundeswehr überdurchschnittlich bekannte Kommandeurin" - so formulierte es das BVerwG bereits in seiner Vorankündigung für die heutige Verhandlung diskret - hatte in einem geschlossenen Datingportal annonciert. Den Akten zufolge stellte sie dort ein Profilbild von sich "in sitzender Pose mit erkenn­baren Gesichtszügen und unter Verwendung ihres tatsächlichen Vornamens" ein. Dabei warb sie mit dem Text: "Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome." Nachdem dies ihrem Vorgesetzten zugespielt worden war, sprach der einen einfachen Verweis aus - die niedrigste Disziplinarmaßnahme der Wehrdisziplinarordnung: Die Kommandeurin sei ihrer Verpflichtung zum ordnungsgemäßen außerdienstlichen Auftreten nicht gerecht geworden. Auch das Truppendienstgericht fand, die Soldatin habe Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründet. Außenstehenden werde der Eindruck vermittelt, dass sie sich selbst und ihre wechselnden Geschlechtspartner zu reinen Sexobjekten reduziere. Sie konterte: Die Disziplinarmaßnahme greife unzulässig in ihr Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung ein. Wenngleich das Truppendienstgericht vorgebe, ihre "promiskuitive Lebensweise" sei nicht Gegenstand des Verfahrens, werde ihr genau dies letztlich vorgehalten.

"Grundrechte nicht genug gewürdigt"

Das BVerwG hatte gegen die Begründung des Truppendienstgerichts zwar einige rechtliche Bedenken. Dieses sei nämlich zu Unrecht davon ausgegangen, dass die privaten Äußerungen der Soldatin in einem Partnerschaftsportal von der Öffentlichkeit der Bundeswehr als Ganzes zugerechnet werden, schreiben die obersten Dienstrichter. Auch habe es die Bedeutung der Grundrechte im Bereich der privaten Lebensführung nicht ausreichend gewürdigt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit 2 Abs. 1 GG enthält ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, wie der 2. Wehrdienstsenat betont. Dazu gehöre, dass der Einzelne über seine geschlechtlichen Beziehungen frei bestimmen und sich für eine promiskuitives Sexualverhalten entscheiden könne. "Der Schutz des Grundrechts erstreckt sich nicht nur auf die Intim- und Privatsphäre, sondern schließt das Recht ein, in der Sozialsphäre, das heißt im Internet, Kontakte mit Gleichgesinnten zu suchen", befand er weiter.

Außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht

Doch im Ergebnis stellten sich die Richter doch hinter den Spruch der Vorinstanz. Denn die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verlange, dass eine Soldatin in der besonders hervorgehebenen dienstlichen Stellung einer Bataillonskommandeurin mit Personalverantwortung für circa 1.000 Personen bei der Wahl der verwendeten Worte und Bilder im Internet Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nehme. "Sie muss daher Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen Mangels an charakterlicher Integrität erwecken." Die Worte "offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome" erwecken auch aus der Sicht eines verständigen Betrachters – so jedenfalls die Sicht der vermutlich gleichfalls verständigen Wehrdienstrichter – "Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Integrität".

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 25. Mai 2022.