BVerwG: Pförtner in Kreiskrankenhaus kann Kreisrat sein

Arbeitnehmer von Landkreisen sind nur dann an der Übernahme eines Mandats im Kreistag gehindert, wenn sie auf die Verwaltungsführung des Kreises inhaltlich Einfluss nehmen können. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.06.2017 ist dies bei einem Klinikpförtner nicht der Fall (Az.: 10 C 2.16).

Nachrücker für die Partei "Die Linke"

Der Kläger ist seit 1977 Arbeitnehmer des beklagten Ortenaukreises in Baden-Württemberg. Zuletzt war er als Pförtner in einem Krankenhaus des Kreises tätig. Im Jahr 2009 wurde er bei der Wahl zum Kreistag des Beklagten für die Partei "Die Linke" zum Nachrücker gewählt. Nach dem Tod des Mandatsinhabers im Jahr 2012 stellte der Beklagte gestützt auf § 24 Landkreisordnung für Baden-Württemberg (LKrO) fest, dass der Kläger nicht in den Kreistag nachrücke. Nach dieser Vorschrift kann nicht Kreisrat sein, wer Arbeitnehmer des Landkreises ist und nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet. Widerspruch und Klage gegen den Bescheid blieben erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies auch die Berufung des Klägers zurück. Während des Berufungsverfahrens wurde der Kläger bei der Kreistagswahl im Jahr 2014 erneut zum Nachrücker für seine Partei gewählt.

Gericht: Ausschluss war rechtswidrig

Das BVerwG hat die Urteile der Vorinstanzen geändert und festgestellt, dass der Ausschluss des Klägers von der Übernahme seines Mandats rechtswidrig war. § 24 LKrO hindere Arbeitnehmer von Landkreisen bei verfassungskonformer Auslegung nur dann an der Übernahme von Mandaten in Kreistagen, wenn dadurch eine nicht anderweitig ausgeräumte Interessenkollision entsteht.

Interessenkollision bei Beamten, Richtern und Soldaten

Art. 137 GG gestatte allerdings, die Wählbarkeit von Angestellten des öffentlichen Dienstes in kommunalen Gebietskörperschaften durch Gesetz zu beschränken. Damit solle verhindert werden, dass Mitglieder des Kreistages zugleich Bedienstete des Kreises sind, den der Kreistag kontrollieren soll. Das Grundgesetz unterstelle die Gefahr einer solchen Interessenkollision bei Beamten, Richtern und Soldaten sowie bei den damaligen Angestellten, nicht jedoch bei den Arbeitern des öffentlichen Dienstes.

Arbeitnehmer dürfen nicht unterschiedslos ausgeschlossen werden

Das Berufungsgericht hat nach Auffassung des BVerwG - in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise - entschieden, dass ein Pförtner hiernach zur Gruppe der Angestellten und nicht der Arbeiter zu rechnen ist, weil er nicht überwiegend körperlich tätig ist. Es habe aber verkannt, dass der Gesetzgeber jedenfalls bei kommunalen Vertretungsorganen - wie Stadträten und Kreistagen - nicht unterschiedslos alle derartigen Arbeitnehmer von der Wählbarkeit ausschließen darf. Anders als gewählte Abgeordnete im Bundestag und in den Landtagen würden kommunale Mandatsträger keine Diäten erhalten. Sie hätten damit keine realistische Möglichkeit, ihren Beruf für die Dauer des Mandats ruhen zu lassen.

Inhaltliche Einflussnahme des Klägers auszuschließen

Ihre Wählbarkeit könne daher nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich nur dann beschränkt werden, wenn die Gefahr von Interessenkollisionen, der Art. 137 GG begegnen will, in ihrem Tätigkeitsbereich auch typischerweise besteht. Das sei bei Arbeitnehmern wie dem Kläger nicht der Fall, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie auf die Verwaltungstätigkeit ihres Arbeitgebers, des Kreises, inhaltlich Einfluss nehmen können.

BVerwG, Urteil vom 14.06.2017 - 10 C 2.16

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2017.

Mehr zum Thema