BVerwG: Keine Übergangsfrist für rechtswidrige Zweitwohnungssteuer-Satzung

Wird eine kommunale Abgabensatzung (hier zur Zweitwohnungssteuer) im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig erkannt, darf sie auch nicht übergangsweise als wirksam behandelt werden. Dies stellt das Bundesverwaltungsgericht mit vier Urteilen vom 27.11.2019 klar (Az.: 9 C 6.18, 9 C 7.18, 9 C 3.19 und 9 C 4.19).

Zwei niedersächsische und zwei schleswig-holsteinische Gemeinden betroffen

Die Urteile des BVerwG betreffen die niedersächsische Gemeinde Lindwedel (Az.: 9 C 6.18 und 9 C 7.18) sowie die schleswig-holsteinischen Gemeinden Friedrichskoog (Az.: 9 C 3.19) und Timmendorfer Strand (Az.: 9 C 4.19). Diese Gemeinden erheben Zweitwohnungssteuern, jeweils bemessen anhand der mit dem Verbraucherindex hochgerechneten Jahresrohmiete nach den Wertverhältnissen im Jahr 1964. Dieser Maßstab lehnt sich an die bisherige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer an.

BVerfG-Urteil zu Grundsteuer auf Zweitwohnungssteuer übertragbar?

Das Bundesverfassungsgericht hat den betreffenden Steuermaßstab für die Grundsteuer durch Urteil vom 10.04.2018 beanstandet, weil die Anknüpfung an die Wertverhältnisse von 1964 zu erheblichen Verzerrungen führt (DStR 2018, 791). Ob die Gründe dieses Urteils auch auf die Zweitwohnungssteuer übertragbar sind, war umstritten. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein in Schleswig bejahte dies und hob die hier umstrittenen Steuerbescheide auf (BeckRS 2018, 37762 und NordÖR 2019, 427). Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Lüneburg entschied dagegen zugunsten der Gemeinde (BeckRS 2018, 16931 und  BeckRS 2018, 16931). Beide Oberverwaltungsgerichte ließen im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen die Revision zu.

BVerfG: Feststellung der Jahresrohmiete für Zwecke der Zweitwohnungssteuer ebenfalls verfassungswidrig

Während der laufenden Revisionsverfahren vor dem BVerwG befand das BVerfG mit Beschluss vom 18.07.2019, dass die Feststellung der Jahresrohmiete für Zwecke der Zweitwohnungssteuer ebenfalls verfassungswidrig ist (BeckRS 2019, 25317). Allerdings gewährte es den an den verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligten (bayerischen) Gemeinden eine Übergangsfrist zur weiteren Anwendbarkeit ihrer Satzungen bis zum 31.03.2020.

BVerwG: Keine übergangsweise Fortgeltung der fehlerhaften Steuersatzungen

Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich der Streit vor dem BVerwG im Wesentlichen darauf, ob die hier betroffenen Gemeinden die Fortgeltung ihrer fehlerhaften Steuersatzungen übergangsweise beanspruchen können. Dies sei nicht der Fall, entschied das BVerwG. Anders als das BVerfG seien die Verwaltungsgerichte zu keiner derartigen Fortgeltungsanordnung befugt. Sie seien vielmehr verpflichtet, angefochtene Steuerbescheide aufzuheben, wenn diese keine Grundlage in einer rechtmäßigen Satzung finden und deshalb die Steuerschuldner in ihren Rechten verletzen.

Keine unzumutbaren Auswirkungen auf Gemeindehaushalt zu erwarten

Unzumutbare Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt seien dadurch regelmäßig und auch hier nicht zu befürchten, hebt das BVerwG hervor. Denn für die Vergangenheit seien nur die noch konkret angefochtenen Bescheide betroffen. Es bestehe keine Verpflichtung, unanfechtbare Bescheide zu überprüfen und anzupassen. Gegebenenfalls seien die Kommunen im Übrigen berechtigt, eine ungültige Satzung rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen und auf dieser Grundlage Steuern auch für einen zurückliegenden Zeitraum neu zu erheben. 

BVerwG, Urteil vom 27.11.2019 - 9 C 6.18

Redaktion beck-aktuell, 28. November 2019.