Keine Entschädigung für Enteignung bei Beschäftigung von KZ-Häftlingen
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Die Enteignung von Rittergütern durch die Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg wird nicht entschädigt, wenn die Unternehmensleitung KZ-Häftlinge für die Bewirtschaftung aktiv ausgebeutet hat. Verwaltungsgerichte müssen laut Bundesverwaltungsgericht die Bitte, kranke Häftlinge durch gesunde zu ersetzen, nicht als Anhaltspunkt für eine Sorge um deren Wohlergehen sehen.

Menschenunwürdige Behandlung

Drei Rittergüter waren nach dem Krieg durch die Sowjetunion enteignet worden. Hierfür war nach der Wiedervereinigung durch das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zunächst eine Entschädigung gemäß § 1 Abs. 4 AusglLeistG zugesprochen worden. Später wurde dieser Verwaltungsakt aber zurückgenommen, wogegen sich die Erbinnen des ursprünglichen Betreibers wehrten. Während des Krieges waren die Güter von KZ-Häftlingen bewirtschaftet worden. Untergebracht waren diese in einem zugigen, ungeheizten ehemaligen Speicher, und trotz Fehlens angemessener Bekleidung wurden sie bei jedem Wetter zu Feld- und Verladearbeiten eingesetzt. Als ungenügend eingestufte Arbeitsleistungen wurden durch Essensentzug bestraft. Das Verwaltungsgericht Potsdam sah die menschenunwürdige Behandlung als Grund für die Rücknahme der Entschädigung an. Die Rechtsbeschwerde hatte beim BVerwG keinen Erfolg.

Keine Anhaltspunkte für Rücksichtnahme

Die Behauptung einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache werteten die Leipziger Richter schon im Ansatz als verfehlt: Die Frage, ob es für einen Ausschluss der Entschädigung schon ausreichend sei, die Verletzung von Menschenrechten nicht verhindert zu haben, stelle sich nicht. Das Verwaltungsgericht sei bindend davon ausgegangen, dass die Unternehmensmitarbeiter sogar aktiv die gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen mitgestaltet hätten. Dies gehe über die bloße fehlende Nutzung von Spielräumen zugunsten der Zwangsarbeiter hinaus.

Die gegen diese Erwägungen gerichtete Verfahrensrüge greift nach Ansicht des BVerwG ebenfalls nicht durch. Die Rechtsnachfolgerinnen hatten argumentiert, dass das VG das Verhalten der damaligen Unternehmensleitung einseitig zu deren Ungunsten ausgelegt habe. Schließlich sei es eine "denkgesetzlich mögliche Schlussfolgerung", dass die – über ein Schreiben der SS-Kommandoführerin der Außenstelle an das Hauptlager belegte – Bitte des Guts um den Austausch kranker, nicht mehr arbeitsfähiger Häftlinge mit gesunden Kräften, dem Schutz der Kranken gedient habe. Der 8. Senat stellte hierzu in aller Deutlichkeit klar: Es sei nicht dargelegt worden, dass die "in den Prozess eingeführten historischen Tatsachen irgendwelche Anhaltspunkte dafür geboten hätten", dass der Schutz der Menschen Hintergrund der Aufforderung gewesen sei oder die "Unternehmensverantwortlichen hätten annehmen können, dass die rückdeportierten Häftlinge im Stammlager des KZ R. Schonung erwartete".

BVerwG, Beschluss vom 04.02.2022 - 8 B 36.21

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 23. März 2022.